Dieser ausführliche und spannende Artikel beleuchtet die Schwachpunkte der aktuellen Krebsforschung. Der Autor spannt einen mitreissenden Bogen von der (sinnlosen?) Forschung der vergangenen Jahrzehnte hin zu einem einfachen wie vielversprechenden, potentiellen Heilmittel: die ketogene Ernährung (bzw. ketogene Diät). Kann der ewige Kampf gegen den Krebs doch noch gewonnen werden?
Geschrieben von Travis M Christofferson, M.S.
(übersetzt aus dem Englischen, Original: The Origin of Cancer* bitte beachten Sie vorab die Bemerkung am Ende dieses Artikels)
Es ist die fundamentalste Frage der Krebs-Biologie: Was ist der Ursprung von Krebs?
Die Symbole sind überall. Rosa Schleifen, gelbe LIVESTRONG – Armbänder, schwarze Bretter auf denen Spendenläufe angekündigt werden, T-Shirts und Medienberichte die auf ein neues Supermedikament hinweisen sind allgegenwärtig. Wenn man all dies zusammen nimmt so könnte man meinen, wir würden den Kampf gegen den Krebs auf jeden Fall gewinnen.
Verborgen hinter der Hoffnung und dem Optimismus, sozusagen der ‚Wohlfühl-Industrie des Krebs’, befindet sich das Schlachtfeld; und auf diesem erzählt eine einfache Zählung der Todesopfer eine völlig andere Geschichte. Dieses Jahr werden fast 600.000 Amerikaner an Krebs sterben; das entspricht jedem Tag einem auf die Gesellschaft einstürzenden World Trade Center. Aber über diese rohen Daten hinaus gibt es auch die Überlebensraten und diese führen uns alle zu einer sehr beunruhigenden Schlussfolgerung: wir gewinnen den Kampf gegen den Krebs nicht; wir sind nicht näher an einer Heilung als zu dem Zeitpunkt, als Nixon im Jahre 1971 den Kampf gegen den Krebs ausrief. Im Gegenteil: wir sind vermutlich sogar noch weiter entfernt.
Das ist überraschend, vor allem wenn man bedenkt, dass meine Generation, im Gefolge der Baby Boomer, die Vorteile von Sammelklagen erntet, welche die vor uns scheinbar gegen seine eigene Alterung gerichtet und auf diese Weise ein Arsenal an Erfolgen gegen so ziemlich jede erdenkliche Krankheit aufgebaut hat – mit der Ausnahme von Krebs.
Etwas ist völlig falsch gelaufen.
Jeder sollte sich die Frage stellen: Was ist falsch gelaufen in unserem Generationenkampf gegen den Krebs? Als Land geben wir mehr für die Krebsforschung aus als für jede andere Krankheit: 200 Milliarden Dollar seit 1971; und wir haben unglaublich wenig dafür vorzuzeigen (dabei wird noch nicht einmal bedacht, dass Krebs weltweit unter konstanter Beobachtung aller großen Pharmazie-Unternehmen steht).
Viele haben Antworten zu dieser Frage vorgeschlagen, die jedoch nur an der Oberfläche kratzen; aber die wirkliche Antwort könnte viel tiefer zu finden sein. Diese Situation dürfte es so nicht geben, ausser es besteht da ein schwerwiegender Fehler in der Art und Weise wie wir über Krebs denken. Dieser Artikel ist der Versuch, etwas Licht genau darauf zu werfen, was dieser Fehler sein könnte.
Krebs ist eine genetische Krankheit, oder?
Krebs ist eine DNS-Erkrankung. Wenn Sie einen Einführungskurs in Biologie hatten, dann wissen Sie das. Einhundert Jahre langsamer und akribischer Detektivarbeit hat den Vorrang der DNS als das kritische Makromolekül für Krebs gefestigt. Die Verbindung zwischen der DNS und Krebs besteht in sogenannten Onkogenen, also in Genen, die in der Bildung von Krebs resultieren, wenn sie mutieren. Die Lehrbücher erzählen uns, dass jeder von uns Onkogene in sich trägt; die Saat für Krebs ist also in jeden von uns eingepflanzt und dieser wartet nur darauf, aktiv zu werden. Die etablierte Theorie bezüglich der Entstehung und Entwicklung von Krebs nennt sich die ‚ Theorie der somatischen Mutation des Krebses ’. Diese Theorie besagt, dass externe Faktoren wie Zigarettenqualm, chemische Krebs erregende Substanzen, Strahlung etc letztlich die kritischen und das Zellwachstum kontrollierenden Onkogene beschädigen und (durch Mutationen) aktivieren. Dies wiederum führt zu aggressiver und unkontrollierter Ausbreitung, dem Markenzeichen von Krebs. Die Theorie der Somatischen Mutation des Krebs ist für Krebsforscher das, was die Schwerkraft für Physiker ist: es ist ein wissenschaftliches Dogma, das von allen Studenten gelernt und niemals wieder hinterfragt wird.
Nachdem Krebs eine DNS-Erkrankung ist müssten Wissenschaftler, um diese komplett zu verstehen und die Basis für potentielle Heilung zu legen, alle möglichen Mutationen identifizieren und dokumentieren, welche die Erkrankung erzeugen. Die Medikamente, die zur Bekämpfung dieser ‚Antreiber’-Mutationen entwickelt werden würden, würden dann rasch folgen.
Als der Kampf gegen den Krebs 1971 ausgerufen wurde, war die Sequenzierung des gesamten Genoms unterschiedlicher Krebstypen noch Science Fiction, die nur in der Fantasie bestand. Wie so oft verwandelt Technologie die Fantasie in Realität und heutzutage bringen Labore überall auf der Welt am laufenden Bande die genomischen Sequenzen von verschiedenen Krebsarten ans Tageslicht, dies mit unvorstellbarer Geschwindigkeit und Effizienz. Dieses technologisch sehr ambitionierte und vom National Cancer Institute geförderte Projekt trägt den Namen ‚Krebsgenom Atlas Projekt’. Es ist das ‚Manhattan Projekt’ für Krebs und ein auf den Ausgang fokussiertes Unterfangen, dessen ausschließliche Daseinsberechtigung der Sieg über den Kampf mit dem Krebs ist.
Das Krebsgenom Atlas Projekt (KGAP), das im Jahre 2005 begann, wird die Sequenz normaler DNS gegen neun verschiedene Typen von menschlichem Krebs abgleichen, um die exakten Mutationen zu bestimmen, die für den Ursprung und den Fortschritt von bösartigen Tumoren verantwortlich sind. Wissenschaftler würden somit letztendlich den Krebs in seiner Gesamtheit kennen; sie würden dem unerbittlichen und seine Form verändernden Feind direkt ins Gesicht schauen, ohne dass dieser eine Chance auf Flucht hätte. Machen Sie sich keine Illusionen, alles ist darauf hinausgelaufen: wenn Sie die 100 Jahre der Krebsforschung im Schnellvorlauf abspulen lassen könnten, dann würde jeder intellektuelle Ansatz auf das KGAP als das Flaggschiff-Unterfangen hinauslaufen, das für eine Heilung benötigt wird. Fast jeder Krebsforscher auf diesem Planeten wird Ihnen erzählen, dass Krebs eine durch und durch genetische Krankheit ist; und das KGAP ist die Kulmination mehrerer Lebensspannen die darauf verbracht wurden, die schwer zu fassenden Details dieses heimtückischen Feindes aufzudecken, die notwendigen Details also, um wirkliche und dauerhafte Heilmittel zu finden. Dies sollte die letzte Schlacht in einem langen Krieg werden. Dieses eine Projekt sollte die Generationen rächen, die diese Krankheit bekämpften und sich ihr letztlich ergeben mussten.
So zumindest war es geplant. Was als Entscheidungsschlacht im Kampf gegen den Krebs geplant war, wurde zu einer verheerenden Niederlage… Um zu sehen, was hier geschehen ist, müssen wir einen Schritt zurück gehen.
Kenne Deinen Feind
Im Sommer 2009 war James Watson, Nobelpreis-Gewinner und Mitentdecker der DNS (das Molekül im Zentrum des Krebsuniversums), voller Optimismus. Er war so voller Optimismus, dass er sich entschied, einen Gastartikel für die New York Times zu schreiben, in welchem er für dazu aufrief „den Fokus der Anstrengungen im Kampf gegen Krebs zu refokusieren“ und ging sogar soweit, eine „lebenslange Heilung innerhalb von zehn Jahren“ auszurufen. Er verkündete „Der Sieg über den Krebs ist jetzt eine realistische Ambition… Wir werden bald alle genetischen Änderungen kennen, die den größten Krebsarten zu Grunde liegen, die uns plagen.“
„Der Sieg über den Krebs ist jetzt eine realistische Ambition… Wir werden bald alle genetischen Änderungen kennen, die den größten Krebsarten zu Grunde liegen, die uns plagen.“ James Watson
James Watson verlagerte seinen Fokus auf den Krebs, nachdem er seine wegweisende Entdeckung der DNS-Struktur gemacht hatte. Wie schon so viele vor ihm durchlebte er das ganze Vor und Zurück, die flüchtigen Siege und die niederschmetternden Niederlagen; aber überwiegend was ein tief greifendes Gefühl der Frustration bezüglich des Voranschreiten der Krebsforschung so anwesend wie die Präsenz von Luft. Watson war anwesend, als Nixon den Kampf gegen den Krebs ausrief. Amerika war zu jener Zeit voller Selbstüberheblichkeit und Optimismus; kurz nach der Mondlandung war es ein weitverbreiteter Glaube, man werde die Krankheit in einer Anzahl an Jahren heilen können, die man an zwei Händen abzählen kann.
Die Entdeckung der Onkogene sollte kurz nachher folgen, die Gene also von denen man annahm, dass sie in Krebs resultieren sobald sie mutieren. Es war daher keine kühne Vorstellung, sich von hier aus einen von Intelligenz geprägten Krieg vorzustellen: ein Krieg, in dem Medikamente eingesetzt werden würden, die sich auf die Produkte von Onkogenen richten, unter besonderem Fokus auf Krebszellen und der Verschonung von normalen Zellen. Die Tage der toxischen Chemotherapie und Bestrahlung sollten bald gezählt sein und Reliquien einer Ära mittelalterlicher Medizin werden, ähnlich wie Aderlass und Blutegel. Aber diesem vergänglichen Moment des Optimismus, und das würde wohl auch Watson so bestätigen, folgten Jahrzehnte des quälend langsamen Fortschritts.
Cliff Leaf, einer der den Krebs überlebt hat als auch Gastautor der New York Times und renommierter Autor, hat die letzten zehn Jahre damit verbracht herauszufinden, warum wir den Kampf gegen den Krebs zu verlieren scheinen. Seine Untersuchungen haben einen Berg an Statistiken zutage gebracht, die zusammen genommen belegen, wie quälend langsam der Fortschritt ist seitdem Nixon seinen ambitionierten Kampf ausrief. Zweifellos sind die einst visionären gezielten und intelligenten Medikamente gekommen, bis dato über 700 an der Zahl; nur eines, Gleevec, ein Medikament das auf chronische myelogene Leukämie abzielt, hatte bisher einen nennenswerten Effekt. Clifton wird Ihnen ebenso darlegen können, dass Sie als Frau eine Wahrscheinlichkeit von 1:3 haben, in Ihrem Leben einen Krebs zu entwickeln und wenn Sie ein Mann sind, dann liegt die Wahrscheinlichkeit gar bei 1:2. Er wird Ihnen erzählen können, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre der Krebs wahrscheinlich Herzerkrankungen als die führende Todesursache in den USA ablösen wird, gemäß einer Prognose des National Cancer Instituts und dem Center for Disease Control and Prevention. Krebs ist schon jetzt die häufigste Todesursache bei Menschen unter 75. In der Altersgruppe 45 bis 64 ist der Krebs für mehr Todesfälle verantwortlich als die nächst häufigsten Todesgründe zusammen genommen (Herzerkrankungen, Unfälle und Schlaganfälle). Es ist außerdem die führende Todesursache bei Kindern, Mittdreißigern und allen dazwischen. Aber die wichtigste Statistik von der Clifton Ihnen erzählen wird, also die Statistik die aufdeckt welch zerschmetternde Niederlage der Kampf gegen den Krebs bisher gewesen ist, ist diese: die Todeszahlen, die heute auf Krebs zurück zu führen sind, sind die gleichen wie sie im Jahr 1950 waren.
Die eine Statistik die AUFDECKT welch zerschmetternde Niederlage der Kampf gegen den Krebs bisher gewesen ist, ist diese: die Todeszahlen, die heute auf Krebs zurück zu führen sind, sind die GLEICHEN wie sie im Jahr 1950 waren.
Aber James Watson kannte alle Statistiken als er seinen Gastartikel in der New York Times veröffentlichte; er hatte einen komplett neuen Grund für Optimismus. Um es klar zu stellen: er hatte ein Leben lang Erfahrungen mit übersinnlichen Momenten der Hoffnung im Kampf gegen den Krebs. Diese Momente, in denen es den Anschein hatte, als würd sich der Wind drehen, wurden von der scheinbar undurchdringlichen Kraft der Krankheit niedergeschmettert. Insofern war er wahrscheinlich nicht prädisponiert zum optimistisch sein, sondern er wählte seinen Optimismus vermutlich vorsichtig. Der Titel von Watsons Gastartikel lautete „Den Krebs besiegen: Kenne Deinen Feind“. Der Titel war sicherlich angebracht, denn das Genom Atlas Projekt war auf dem Weg. All die Verständnislücken, welche die Heilung von Krebs verhinderten, all die Sackgassen die Watson während seiner Karriere an der Frontlinie im Kampf gegen den Krebs hautnah erlebt hatte, sollten bald passé sein. Dank des KGAP wusste Watson, als er schrieb, dass er bald seinen ‚Feind kennen’ würde, endlich und wahrhaftig.
Ein boshafter Sinn für Humor
Niemand hat das kommen sehen. Zwischen Frühjahr 2009 (als Watson seinen Gastartikel veröffentlichte) und jetzt wurden wahre Datenberge gesammelt, die das veränderliche Profil einer Menge Krebsarten aufdeckte, so z.B. der Eierstöcke, des Pankreas, der Lunge, der Haut, des Gehirns, der Brust sowie verschiedene Formen von Leukämie; und die Daten waren alles andere als man erwartet hatte. Im Gegenteil: das KGAP brachte etwas völlig Unerwartetes ans Tageslicht. Die Mutationen, von denen man immer dachte, dass sie die kritische Zellmaschinerie schrittweise sabotiere (also dass aus einer Zelle Schritt für Schritt einen chaotischen, aggressiven, unkontrollierbaren und invasiven Killer macht), machten einfach keinen Sinn.
Wissenschaftler waren der Annahme, dass die aneinander gereihten Daten eine nette und ordentliche Sequenz von vielleicht 3-8 Onkogenen ans Tageslicht bringen würden, die im Falle der Mutation in einer bestimmten Krebsart enden würden – eine identifizierende Signatur, wie ein Fingerabdruck. Sie nahmen auch an, dass sie dann diese Sequenz abarbeiten und dass dann die Heilmittel folgen würden, so wie Watson es angekündigt hatte. Was sie aber stattdessen fanden war eine fast willkürliche Sammlung von Mutationen, ohne dass eine einzige, aber auch keine Kombination daraus, absolut Schuld war am Ausbrechen der Erkrankung. 1976, also nach sechs Jahren angestrengter Suche nach Onkogenen kommentierte der renommierte Wissenschaftler Peyton Rous, indem auf die Wechselhaftigkeit, Komplexitäten und Überraschungen der Krebs-Biologie anspielte: „Die Natur hat einen boshaften Sinn für Humor“. Er hatte keine Ahnung davon, wie gespenstisch prophetisch diese Aussage sein würde.
Falls Krebsforscher jemals einen kollektiven Moment hatten, wo sie mit dem Mund weit offen und in SCHOCKSTARRE dastanden, dann ist das GENAU JETZT.
Sie werden über diese verwirrenden Daten vom KGAP noch nirgendwo in den Nachrichten lesen. Dies liegt hauptsächlich daran, dass die Daten noch gesammelt werden; und jetzt befindet sich das gesamte Feld der Krebs-Biologie gemeinsam mitten in einer hastigen und massiven Umorganisierung. Falls Krebsforscher jemals einen kollektiven Moment hatten, wo sie mit dem Mund weit offen und in Schockstarre dastanden, dann ist das genau jetzt. Manche Krebsforscher stehen da wir angewurzelt und starren einander sozusagen ungläubig an, in der Hoffnung auf einen Hinweis, was man als nächstes unternehmen solle. Andere wiederum klammern sich krampfhaft an ihre lebenslange Investition in die Theorie der Somatischen Mutation und versuchen verzweifelt, die Daten in Ihrem Sinne zu drehen, indem sie die derzeitige Theorie modifizieren, damit sie auf die offensichtlich zufälligen Daten passen. Und wieder andere haben das Alte hinter sich gelassen und nehmen verschiedene Theorien an, um die stumpfsinnig angeordneten Daten zu erklären. Es besteht kein Zweifel daran: marschierte die Krebs-Biologie vor Kurzem noch in einer schönen Reihe, so ist sie jetzt in einen chaotischen Haufen über gegangen, in dem jeder in eine andere Richtung läuft und sich neue Teams sucht. Da es noch nicht der Allgemeinheit bekannt ist, wird diese Phase des Kampfes noch in den wissenschaftlichen Magazinen ausgefochten. Es ist wirklich so, dass man keinen Artikel zu den Daten aus dem KGAP ohne die Worte „ernüchternd“, „unglaublich komplex“ oder „immense therapeutische Auswirkungen“ lesen kann. Die meisten generellen Zeitschriften scheinen dieses Thema ganz und gar zu vermeiden.
Dazu gehört auch Siddhartha Mukherjees Buch „The Emperor of Maladies“. Das Time Magazin nannte es eines der 100 einflussreichsten Bücher der letzten 100 Jahre. Es ist eine wundervoll geschriebene und reichhaltige Reise des Krebs, von seiner weit entfernten Vergangenheit bis heute. Das Buch porträtiert die mühselige Reise, die Wissenschaftler auf sich nehmen mussten in ihrem Bemühen, diese Erkrankung zu verstehen und zu bekämpfen, und es gipfelt im KGAP – ein Thema, dem Mukherjee erstaunlich wenig Aufmerksamkeit schenkt. In den vorausgehenden Kapiteln seines Buches setzt Mukherjee die Darsteller durch erfrischend farbreiche Details und lebhafter Textur ins rechte Licht und erschafft so eine inspirierte wie auch vorstellungsreiche Erzählung. In Mukherjees Buch mündet das Voranschreiten wissenschaftlicher Entdeckungen in das KGAP als das notwendige Werkzeug um die wahllos zusammen gewürfelten Daten-Mosaiksteine in ein vollständiges Bild des Verstehens zusammen zu fügen. Indem die Bemühungen von Generationen in einer letzten Enthüllung enden, wären lebenslange Mühen, Enttäuschung und Frustration nicht umsonst gewesen, denn das KGAP sollte unseren Feind komplett bloßstellen. Es ist merkwürdig, denn Mukherjee scheint das Thema nur anzureissen und er stellt nur einen einzigen Wissenschaftler vor, Bert Vogelstein, der den Leser durch die Daten führt. Dieses eine Projekt, welches dazu bestimmt war, endlich ein Heilmittel realistisch zu machen, verdiente so viel mehr Aufmerksamkeit in so einem umfangreichen Werk über die Geschichte des Krebs. Aber es gibt einen guten Grund dafür, warum Mukherjee so dem KGAP so wenig Beachtung schenkt: die Daten sind tatsächlich unbegreiflich.
Genau genommen fehlen die Daten des KGAP in vielen Abhandlungen. Es ist als ob die Krebsgemeinschaft verzweifelt warte und den Atem anhalte, in der Hoffnung, dass die Daten Sinn mache würden. Die auffälligste Tatsache in den Artikeln und Abhandlungen ist das was fehlt, so als ob es verschwinden würde, wenn man es einfach auslässt.
Um die Situation wirklich zu verstehen, in der sich die Krebs-Biologie befindet, muss man einen kurzen Spaziergang durch die Daten des KGAP machen. Es hat den Anschein, als ob aussergewöhnlich Wenige dies getan haben und eine noch geringere Zahl begreift die Auswirkungen und Konsequenzen der Daten.
Die beunruhigenden Daten kamen anfangs nur langsam zum Vorschein. Die ersten groß angelegten Bemühungen zwischen 2002 und 2003 um systematisch individuelle Tumoren von Darmkrebs Proben zu untersuchen enthielten die erste Überraschung für die Krebswissenschaftler: bemerkenswert wenige vorher unbekannte Onkogene wurden identifiziert. Es wurde mehr oder weniger angenommen, dass neue Schlüssel-Onkogene identifiziert werden würden, also Gene, die man als Ausschlag gebend annehmen würde, wenn sie mutieren. Aber das sollte nicht eintreffen; vielleicht waren die Jahrzehnte des Herauskitzelns an Onkogenen ausgiebiger als die Forscher angenommen hatten.
Auch waren die anfänglichen Studien vergleichsweise limitiert; limitiert in der Tatsache, dass sie nicht die gesamten 20.000 Gene sequenzierte, die im menschlichen Genom enthalten sind. Die viel umfangreicheren Studien die noch folgen sollten würden sicherlich mehr ans Tageslicht bringen. Die nächsten Krebsarten auf der Warteliste für die Sequenzierung waren Brustkrebs und Darmrkebs. Diese Studien würden weiter in die Genome dieser Krebsarten vordingen als die voraus gegangenen Studien und es bestand die Hoffnung, dass man die Handvoll an Genen ausfindig machen würde, welche diese beiden häufig auftretenden Krebsarten verursachen. Aber wie schon vorher war das nicht der Fall, als die Ergebnisse zwischen 2006 und 2007 veröffentlicht wurden.
Wieder wurden keine Onkogene gefunden. Aber weit beunruhigender als das war die einsetzende Erkenntnis, dass keine der gefundenen Mutationen letztendlich für den Ursprung der Erkrankung verantwortlich gemacht werden konnte. Damit die Theorie der Somatischen Mutation funktioniert müssen Mutationsmuster gefunden werden, die den Ursprung der jeweiligen Krebsart erklären; eine Ursache muss vorausgehen und die Auswirkung erklären. Kritisch dabei ist, dass Mutationen, die für die Initialzündung und die Entwicklung der Krankheit verantwortlich gemacht wurden, von Person zu Person unterschiedlich waren, und zwar enorm unterschiedlich. Keine einzige Mutation konnte identifiziert werden, die notwendig war, um die Erkrankung auszulösen, auch keine Kombination von Mutationen. Abgesehen von ein paar gewöhnlich mutierten Onkogenen schien das Muster ziemlich zufällig zu sein. Die Studien sequenzierten die Tumoren von 11 verschiedenen Individuen mit Brustkrebs und 11 unterschiedlichen Individuen mit Darmkrebs. Über 18.000 Gene wurden sequenziert; das waren fast 40 Mal so viel wie in den anfänglichen Studien und damit war es das bis dato umfangreichste Sequenzieren.
In der Zwischenzeit entwickelte sich die Technologie weiter. Technologie für Sequenzierung wurde schneller, genauer und auch kostengünstiger. Bewaffnet, mit frischem Mut und fest entschlossen war nun Pankreaskrebs an der Reihe. Dieses Mal, in 2008, sequenzierten Forscher wieder über 20.000 Gene, also fast alle der bekannten Protein-kodierende Gene im menschlichen Genom der Tumore von 24 Individuen, die an Pankreaskrebs litten. Aber es war wieder so ziemlich das Gleiche: wieder konnten keine neuen Mutationen von besonderer Bedeutung gefunden werden und wiederum konnten die gefundenen Mutationen nicht als ausschlaggebend klassifiziert werden. Die Theorie der Somatischen Mutation hatte also ein Problem und eine Anpassung war notwendig, damit die Theorie weiter funktionieren konnte.
Die Suche nach der Dunklen Materie
Das ist die Stelle an der Bert Vogelstein wieder in dieser Geschichte auftaucht, also der Wissenschaftler der uns in Mukherjees Buch als derjenige vorgestellt wurde und der die Leser durch die Ergebnisse des KGAP führt. Vogelstein wusste, dass die Theorie der Somatischen Mutation in Schieflage geraten war und angepasst werden musste. Es waren genügend Daten gesammelt um schlussfolgernd bestimmen zu können, dass die Vorstellung einer netten und ordentlichen Serie von sequenzieller Mutationen als der Grund für Krebs eingestampft werden konnte; dies war eine Idee, die Vogelstein Jahrzehnte lang propagiert hatte. Vogelstein passte die ursprüngliche Theorie an und verkündete: nicht ein definierter Satz an bestimmten Mutationen sind der Grund für eine bestimmte Krebssorte; Krebs werde stattdessen von Mutationen verursacht, die bestimmte biologische Systeme funktionsunfähig machen, also Systeme, die in die qualitativen Aspekte von Krebs involviert sind, wie z.B. unkontrollierter Wucherung, Unterdrückung von programmiertem Zelltod und Gewebeinvasion. In anderen Worten: Krebs war nun eine zelluläre Systemerkrankung. In der Theorie soll ein jeweiliges System sagen wir 20 oder so konstituierende Gene haben, die notwendig sind, damit das System funktioniert; falls irgendein einziges dieser konstituierende Gene durch Mutation funktionsunfähig gemacht wird, dann würde dadurch das komplette System operationsunfähig gemacht und die Zelle sei dadurch der Bösartigkeit einen Schritt näher gekommen.
Manche Kritik von anderen Krebsbiologen lautet, dass dies einfach eine ad hoc – Anpassung sei, die notwendig wurde, um eine falsche Theorie auf die Daten hin anzupassen. Diese Meinung teile ich nicht. Die Anpassung hin zu einer systemischen Erkrankung erschien mir Sinn zu machen. Sicherlich ist es eine Erweiterung, oder eine Verwässerung der Theorie; sicherlich würde es dafür sorgen, dass die Daten besser passen. Jedoch ist das alleine kein Grund, um die neue und angepasste Theorie zu verwerfen. Aber die Daten mussten die neue Theorie erst bestätigen. Die Zeit und weitere Sequenzierungen würden dies zeigen. Die Autoren der Pankreaskrebs-Studie sagten Folgendes über den Paradigmenwechsel der Somatischen Mutationstheorie: „Aus intellektueller Sicht hilft die Bahnen-Perspektive Ordnung und rudimentäres Verständnis in diese sehr komplexe Krankheit zu bringen.“
Indem man die neue, modifizierte Theorie auf die Pankreaskrebs-Studie anwendete wurde Schluss gefolgert, dass Pankreaskrebs von einer Dysfunktion von 12 verschiedenen biologischen Systemen verursacht wurde. Nun musste man einen kritischen Blick darauf werfen, wie wässrig diese neue, modifizierte Theorie war. In diesem Fall war sie ziemlich fadenscheinig. Es stellte sich heraus, dass die Autoren einiges an Vorstellungskraft aufbringen mussten, um einige der Mutationen einer der 12 Systeme zuordnen zu können, die von der Pathogenese bei Pankreaskrebs betroffen sind. Scheinbar waren einige der mutierten Gene sozusagen Freunde eines Freundes eines Freundes, der Teil eines betroffenen Systems war. In den eigenen Worten der Autoren: „Obwohl wir nicht sicher sein können, dass jede identifizierte Mutation eine funktionale Rolle in der Bahn oder dem Prozess spielt, in den es involviert ist“. Anstatt dass sie Ordnung und rudimentäres Verständnis in eine sehr komplexe Erkrankung brachten, sah es eher danach aus, als ob die Autoren Ordnung und Verständnis in eine komplexe Krankheit einbauen würden.
Trotz der Verwirrung blieb das KGAP bestehen. Glioblastoma Multiforme (GBM) war als nächstes an der Reihe, also Hirnkrebs. Glioblastoma ist ein gemeiner, aggressiver Krebs und die meisten werden sich ihm sogar trotz Behandlung innerhalb eines Jahres ergeben müssen. Erneut sequenzierten Teams von Wissenschaftlern über 20.000 Gene von 22 Tumorproben. Dieses Mal wurde ein neuartiges Gen gefunden, das in 12% der Proben mutiert war; das war eine große Errungenschaft. Seine Entdeckung wurde als eine Validierung der Nützlichkeit Genom-weiter genetischer Analyse von Tumoren genannt. Die Autoren Schluss folgerten, dass GBM durch die Mutationen verursacht wurde, die drei wichtige biologische Prozesse funktionsunfähig mache. Nichtsdestotrotz, genau wie mit Pankreaskrebs erzählt ein genauerer Blick auf die Daten etwas anderes. Der beunruhigende Trend setzte sich fort und keine dieser Studien war in der Lage, die Theorie der Somatischen Mutation oder die neue, angepasste Version zu validieren. Keine dieser Studien konnte Schluss folgern, dass Mutationen in irgendeiner Weise der Grund für die Erkrankung seien. Von den 22 Proben hatten nur vier davon Mutationen, die alle drei Systeme hatten, die für GBM als notwendig angesehen werden. Neun Proben wiesen Mutationen in zwei der drei Systeme auf, fünf hatten Mutationen in einem der drei Systeme; interessanterweise hatte eine Probe (mit der Bezeichnung Br20P) keine Mutation in einem der drei Systeme und war trotzdem ein lebender, wachsender, aggressiver Fall von GBM. Die tiefe Stille in Bezug auf diese Inkonsistenzen in der neuen und modifizierten Theorie der Somatischen Mutationen spricht Bände. Damit die Theorie funktionieren kann, egal ob nun die originale Theorie oder die neue, modifizierte Theorie, dürfen Proben wie Br20P einfach nicht existieren.
Damit die GENETISCHE Krebstheorie funktionieren kann, egal ob die originale Theorie oder die neue, modifizierte Theorie, DÜRFEN Proben wie Br20P einfach NICHT existieren.
Vor etwas mehr als einem Jahr wurden die Sequenzierungsdaten von über 21.000 Genen von 100 Brustkrebs-Proben veröffentlicht. Es waren die ausführlichsten Daten bis zu diesem Zeitpunkt; und für die Theorie der Somatischen Mutation war es bis dato die vernichtendste. Wie in den anderen Studien wurde die Theorie selber nicht in Frage gestellt. Nur Stille. Die Autoren bemühen wieder die Komplexität der Sequenzierungsdaten, indem sie erklären: „Das Bild der mutierten Krebs-Gene und des Mutationsprozesses bei Brustkrebs wird klarer, und es tritt eine ernüchternde Perspektive bezüglich Komplexität und Mannigfaltigkeit der Krankheit an den Tag. In vielen Krebsgenen sind treibende Mutationen am Werk. Ein paar sind gewöhnliche Mutationen, aber viele unregelmäßig mutierte Gene zusammen leisten einen ganz erheblichen Beitrag in unbeschreiblich vielen Kombinationen“.
Diese Aussage kommt in keiner Weise einer realistischen Beschreibung der Komplexität nahe, die man im Mutationsprofil von Brustkrebs oder den meisten Krebsarten finden kann. Von den 100 sequenzierten Proben wurden 44 Gene als an der Tumorentstehung involviert ausgemacht. Die maximale Anzahl an mutierten Krebsgenen in einem einzelnen Brustkrebs war sechs, aber 28 Fälle zeigten nur eine einzige treibende Mutation. Wenn Sie vor zehn Jahren 100 Onkologen oder Krebsforscher gefragt hätten, ob Brustkrebs von einer Fülle verschiedener Einzelmutationen ausgelöst werden könnten, wären Sie vermutlich von 100 ausgelacht worden.
Schlimmer noch, in einem weiteren offenkundigen Versäumnis ließen die Autoren fünf Proben unter den Tisch fallen, die überhaupt keine Mutationen aufwiesen… Keine treibende Mutationen konnten gefunden worden und doch waren dies lebende, atmende, aggressive tötende Krebszellen. Noch einmal zur Wiederholung: damit die Theorie der Somatischen Mutation funktionieren kann, dürfen solche Proben einfach nicht existieren.
Als ich Dr. Larry Loeb von der University of Washington, einer Schlüsselperson im KGAP, bat in ein paar Sätzen zusammen zu fassen, was man von den sequenzierten Daten bisher gelernt hatte, sprach er langsam und bewusst: „Es ist in jedem Tumor eine enorme Anzahl an Mutationen vorhanden und es ist sehr, sehr schwer zu bestimmen, welche Ausschlag gebend sind. Wir haben kein ausreichendes Arsenal an Medikamenten, um das Spektrum der mutierenden Gene innerhalb eines einzelnen Tumors anzugreifen. Die Komplexität der Mutationen die man in Krebs finden kann ist wahrhaftig erschreckend“. In vielerlei Hinsicht scheint die Theorie der Somatischen Mutation wie ein riesiges Beispiel für Gruppendenken. Auf keinen Fall können Mutationen vollständig verantwortlich sein für die Entstehung von Krebs, und doch scheinen so wenige bereit dies auszusprechen. Vielleicht war die Entdeckung der DNS und seiner zentralen Rolle als der Tonangeber in den Prozessen des Lebens so eine tiefgreifende, intellektuelle Errungenschaft, dass niemand bereit ist, dessen Primat in der Ursachenforschung von Krebs anzuzweifeln. Vielleicht zeugt es einfach davon, wie langsam sich eingefahrene, dogmatische Glaubenssysteme ändern. Was auch immer der Grund sein mag: weiterhin werden Milliarden dafür ausgegeben, um diejenigen Mutationen zu jagen und zu katalogisieren, von denen man annimmt, dass sie Krebs verursachen. Des Weiteren werden ebenso Milliarden ausgegeben, um einen wirkungslosen Wirkstoff nach dem anderen zu entwickeln, der diese Mutationen bekämpfen soll. Es handelt sich dabei um Medikamente, die bis zu 100.000 pro Behandlung kosten und den Patienten ein paar Monate länger geben, im besten Fall; manche resultieren in überhaupt keiner verlängerten Überlebenszeit.
Wir müssen bedenken, dass dies keine intellektuelle Übung ist; es geht hier nicht um theoretische Physik oder Astronomie, wo eine Theorie langsam die andere unnötig macht, nachdem man diese sorgfältig studiert hat, und wo keine große Eile geboten ist. Aber im Falle der Krebsforschung ist sehr große Eile geboten, denn es handelt sich hier um einen Krieg. Menschen sterben nach wie vor. Zeit ist kein Luxus den sich die meisten leisten können.
Ich sendete Dr. Vogelstein eine E-Mail in der ich ihn nach den Inkonsistenzen der Daten fragte. Insbesondere fragte ich ihn, wie er Proben wie Br20P erklärte, die Gehirntumor-Probe, in der keine Mutationen in den drei Systemen auftauchten, die Vogelstein bestimmt hatte, für die Entstehung von Krebs notwendig zu sein. Er verwies mich freundlich auf seinen letzten Artikel in der sehr angesehenen Fachzeitschrift Science.
In seinem Artikel versucht Vogelstein in der Tat, das Problem mit den Daten des KGAP zu adressieren. Zu aller erst erklärt er, dass die Technologie für Genom weites Sequenzieren noch bei weitem nicht perfekt sei und dass gezeigt werden konnte, dass diese Technologie eine falsch-positiv Fehlerrate von bis zu 37% aufweise. Nichtsdestotrotz, sogar wenn man die potentielle Fehlerquote beim Sequenzieren mit einbezieht, so klappt das mit den Daten immer noch nicht; eine andere Erklärung muss also her. Und Vogelstein bietet auch eine, in einem Abschnitt mit dem Titel „Dunkle Materie“.
In den 1930er Jahren stellte man fest, dass die orbitalen Geschwindigkeiten von Galaxien, inklusive unserer eigenen Milchstraße, keinen Sinn machten. Die Galaxien rotierten viel schneller als durch die klassischen Newton’schen Mechanismen bestimmt worden war; es war hier also etwas anderes am Werk, etwas das man nicht sehen konnte. Die Erklärung dafür kam in Form der postulierten Existenz einer unsichtbaren Materie mit der Bezeichnung „dunkle Materie“, eine flüchtige und noch unentdeckte Materie, welche die Welt um uns physisch beeinflusse und nach der Wissenschaftler heute noch jagen. 50 km von meinem Wohnort entfernt befindet sich übrigens die letzte Verkörperung dieser 80 Jahre alten Suche nach der dunklen Materie. In einer mittlerweile aufgelassenen Goldmine in den Black Hills von South Dakota werden gerade kolossale Anstrengungen unternommen, um die notwendige Infrastruktur zu erschaffen, um nur eines dieser schwer fassbaren Partikel zu erhaschen; dies geschieht in der Hoffnung, das menschliche Verständnis des Universums in dem wir leben zu erweitern.
Vogelstein lieh sich den Begriff der dunklen Materie von der Astrophysik aus und wandte diesen auf das große Loch im Verständnis an, das durch das Krebsgenom Atlas Projekt aufgedeckt wurde. Vogelstein ist sich sicher, dass ein nebulöser, mutmaßlicher Prozess uns daran hindert, das vollständige Bild des Krebs zu erkennen. Er muss einfach nur diese dunkle Materie finden. Das Problem ist nur, dass er unter Umständen an der falschen Stelle sucht.
Wenn Krebs keine genetische Krankheit ist, was ist es dann?
Wenn James Watson im Sommer 2009 voll von Optimismus war, dann war er im Winter 2012 genauso voll von beissendem Pessimismus. Es hatte den Anschein als ob der Krebs ihm, einmal mehr, eine Karotte vor der Nase baumeln ließ, nur um diese dann mit aller Macht wieder zu entreissen, als er in banger Hoffnung danach greifen wollte. Watson drückte seinen Frust in einer Abhandlung aus, die weltweit veröffentlicht wurde. Diese erschien am Tag nachdem die wichtigsten Krebsorganisationen des Landes in einem Jahresbericht anerkannt hatten, dass wir einen schmerzlich langsamen Fortschritt machen im Hinblick auf die Reduzierung der Todesraten der Erkrankung. Dieses Mal war Watsons Frust nicht nur unterschwellig zu hören, sondern er kochte über, indem er erklärte: „die ‚Heilung’ vieler Krebsarten scheint jetzt für viele erfahrene Wissenschaftler ein noch hoffnungsloseres Unterfangen als damals, als der ‚Krieg gegen den Krebs’ von Präsident Nixon im Dezember 1971 ausgerufen wurde“. Die scheinbar wahllose Anordnung der aus dem KGAP kommenden Mutationen erwischte alle auf dem falschen Fuß. Aber aus Watsons Abhandlung konnte etwas Neues gezogen werden, etwas das er auch in einer Ansprache neulich in der Yale University adressierte (Der defekte Metabolismus), in der er sogar so weit ging, es die ‚Achillesferse’ der Krebszelle zu nennen.
Lassen Sie mich erklären, warum das wichtig ist. Lange Zeit bevor man dachte, dass Krebs eine genetische Erkrankung ist, die aus der Mutation von Schlüssel-Onkogenen hervorgeht, war man der Auffassung, dass es eine metabolische Erkrankung sei, also von einem defekten Metabolismus her rühre. Metabolismus ist eine generelle Bezeichnung, die alle chemischen Reaktionen beschreibt, die eine Zelle durchläuft um Energie zu produzieren. Allerdings wurde diese Metabolische Theorie ohne großes Aufsehen verworfen als man herausfand, dass die DNS der Krebszellen, also das bedeutende Molekül das Watson der Welt gerade offenbarte, Mutationen enthielt.
Lange Zeit bevor man dachte, dass Krebs eine GENETISCHE ERKRANKUNG ist, die aus der Mutation von Schlüssel-Onkogenen hervorgeht, war man der Auffassung, dass es eine METABOLISCHE ERKRANKUNG sei, also von einem defekten Metabolismus her rühre.
Die Metabolische Krebstheorie geht zurück bis ins Jahr 1924 und auf einen sonderbaren Biochemiker Namens Otto Warburg in Berlin, Deutschland. Während er in seinem Labor zu Gange war stellte er etwas Seltsames in Bezug auf Krebszellen fest; entscheidend war seine Feststellung, dass diese Schwierigkeiten hatten, Sauerstoff zu verwenden um Energie zu erzeugen.
Warburg war kein gewöhnlicher Wissenschaftler. Nicht nur gewann der den Nobelpreis, sondern er war, und das war noch nie dagewesen, gleich für drei verschiedene Errungenschaften für den Nobelpreis nominiert. Warburg war beachtlich in seiner Genialität und Produktivität und brachte in den frühen 20er Jahren auf eigene Faust die Humanphysiologie sprunghaft voran. Da Warburg jüdisch war, wurde er vom deutschen Naziregime gezwungen, den zweiten Nobelpreis im Jahre 1944 abzulehnen. Jedoch kerkerte die Regierung Warburg nicht ein, denn es heißt, dass Hitler Panik hatte in Bezug auf Krebs und Warburg war der weltweit führende Experte zu jener Zeit.
Im Gegensatz zum Mutationsprofil der DNS von Krebszellen, war der tiefgreifend veränderte Metabolismus der Krebszellen, den Warburg dokumentiert hatte, von einem Krebs zum nächsten konsistent; es war also ein allgegenwärtiges Merkmal der Krebszellen.
Eine gesunde Zelle produziert 89% ihrer Energie indem sie Sauerstoff verwendet und 11% durch nicht-oxidativen Metabolismus (nicht-oxidativer Metabolismus ist ebenso bekannt als Fermentierung). Wenn Krebszellen trotz der Präsenz von Sauerstoff fortfahren, Energie durch nicht-oxidative Bahnen zu produzieren, dann nennt man dies den Warburg-Effekt. Die Beobachtung, dass der Warburg-Effekt so ein konsistenter und dominanter Aspekt des Krebs war und das gesamte Spektrum der Krankheit abdeckte, führte Warburg zu einer Hypothese, in der ein beschädigter Metabolismus als Ursprung des Krebs ausgemacht wurde. Warburg selber beschrieb den metabolischen Ursprung von Krebs im Jahre 1924 so: „Krebs, mehr als alle anderen Krankheiten, hat zahlreiche sekundäre Gründe. Aber sogar für Krebs gibt es nur einen Hauptgrund. In ein paar Worten zusammen gefasst: Der Hauptgrund für Krebs ist, dass das Atmen von Sauerstoff in einer normalen Körperzelle durch Fermentierung von Zucker abgelöst wird“.
Energieproduktion durch Sauerstoff ist bei weitem effizienter als Fermentierung. Es wird fast 20 Mal mehr Energie freigesetzt wenn Glukose komplett oxidiert wird, als wenn sie fermentiert wird. Oxidative Energieherstellung findet in einer Zellorganelle statt, die man Mitochondrium nennt. Die Mitochondrien werden oftmals als die Zell-„Kraftwerke“ bezeichnet, denn ihre Hauptaufgabe ist es, den Körper mit allem notwendigen Energiebedarf auszustatten. Die Metabolische Krebstheorie behauptet, die Erkrankung beginne mit einer Beschädigung der Mitochondrien, was wiederum die Energieherstellung mit Sauerstoff beeinträchtige; die Zelle sieht sich so gezwungen, Energie durch Fermentierung herzustellen, um zu überleben. Weil die Mitochondrien der Tumorzelle beschädigt sind und deshalb Energie auf weit ineffizienterem Wege herstellen müssen, müssen sie viel mehr Glukose konsumieren, um überlebensfähig zu bleiben. Ein Blick auf einen PET Scan, welcher eine radioaktiv markierte Glukose-Nachbildung verwendet um Krebs abzubilden, bietet einen erstaunlichen bildlichen Beweis für den unersättlichen Appetit den Tumorzellen im Vergleich zu normalem Gewebe für Glukose haben.
Ein Blick auf einen PET Scan, welcher eine radioaktiv markierte Glukose-Nachbildung verwendet um Krebs abzubilden, bietet einen ERSTAUNLICHEN bildlichen Beweis für den unersättlichen Appetit den Tumorzellen in Vergleich zu normalem Gewebe für GLUKOSE haben.
Clifton Leafs enorme Bemühungen, in seinem preisgekrönten Artikel „Why we’re Losing the War on Cancer“ (Warum wir den Krieg gegen den Krebs verlieren) die fundamentalen Probleme aufzuzeigen, die den Fortschritt der Krebsbehandlung verhinderten, waren keine einfache Aufgabe. Er befragte Dutzende von Forschern, Ärzten und Epidemiologen in führenden Krebskrankenhäusern des Landes; er befragte Pharmakologen, Biologen und Genetiker in Pharmazie-Unternehmen und Forschungszentren; er befragte Beamte des FDA, NCI und NIH sowie auch Benefizveranstalter, Aktivisten und Patienten. Dafür führte er monatelang Interviews in Houston, Boston, New York, San Francisco, Washington, D.C und anderen Zentren mit vielen Krebserkrankten durch. Jedoch buchstäblich alle diese Experten waren Zeugnis dafür, dass die Erkenntnis von Leaf, wenn man es zusammen fasst, eine funktionsgestörte ‚Krebskultur’ beschreibt: ein Gruppendenken, welches zehntausende von Ärzten und Wissenschaftlern auf das Ziel hin drängt, die kleinste Verbesserung in der Behandlung zu finden anstatt einen wirklichen Durchbruch; ein Gruppendenken, welches isoliertes (und überzähliges) Problemlösen fördert anstatt Kooperation; ein Gruppendenken, welches akademische Erfolge und Publikationen mehr belohnt als alles andere. Leafs letztliche Schlussfolgerung warum der Fortschritt bei der Krebsbekämpfung bisher so langsam war ist:
- Krebs ist ein wahnsinnig komplexes Problem.
- Schreckliche Modelle: die Modelle, die Forscher benutzen um Krebs zu studieren repräsentieren die wirkliche Erkrankung nicht genau.
- Forschungssubventionen sind ein Anreiz für Forscher, sich auf Nischen zu konzentrieren.
- Ein Mangel an guten und kreativen Ideen, sowie eine Gruppendenken-Mentalität.
Was, wenn der Grund für den schrecklich langsamen Fortschritt nicht nur die oben von Leaf identifizierten Gründe sind, sondern auch, und sogar noch wichtiger, weil Wissenschaftler die Krebstheorie falsch aufgezäumt haben? Was, falls dies das absolut fundamentale Problem ist, das ausserhalb des Blickfelds vor sich hin eitert; sozusagen eine unsichtbare Zwangsjacke, die den Fortschritt verhindert? Es lässt sich nur schwer erklären, warum die Todesraten heute die gleichen sind wie im Jahre 1950, wenn nicht etwas tiefgreifend falsch läuft. Wie um alles auf der Welt kann es sein, dass die unglaublichen Mittel, die für neue Therapien nicht nur vom NCI sondern auch bei allen großen Pharmazie-Unternehmen weltweit zur Verfügung gestellt wurden nicht wenigstens ein paar wenige brauchbare Resultate hervor gebracht haben? Ausser falls Krebs vielleicht, wie Warburg im Jahr 1924 vorgeschlagen hatte, tatsächlich eine metabolische Erkrankung ist und Forscher auf der ganzen Welt an der falschen Stelle gesucht haben.
Nur einen Tick entfernt
Ziemlich früh schon als klar wurde, dass die Daten aus dem KGAP die Theorie der Somatischen Mutation des Krebs nicht stützen würden, wartete Dr. Thomas Seyfried vom Boston College nicht darauf, dass die Daten Sinn machen würden, wie so viele anderen das taten. Stattdessen tauchten er und seine Studenten tief in eine ausgiebige Studie von 100 Jahren Krebsforschung und versuchten so die Antwort auf die nach wie vor sehr schwer zu beantwortende Frage zu finden: Was ist die wahre Natur des Krebs? Mit über 2,8 Millionen Publikationen, die sich damit beschäftigen, die verschleierten molekularen Mechanismen zu verstehen, die in den Krebszellen am Werk sind, gleicht die Krebsforschung fast schon einer Hinterzimmer-Detektei: auf dem gesamten Boden verteilte und an die Wand geheftete Zettel, das Durchkämmen von Anhaltspunkten in der Erwartung, dass sich Muster und Hinweise heraus kristallisieren. Seine Antwort: Warburg hatte Recht, Krebs entsteht und wird getrieben von defektem Metabolismus. Seine Bemühungen gipfelten in einem sehr provokativen Buch mit dem Titel „Cancer as a Metabolic Disease“ (Krebs als metabolische Erkrankung). Das ausgiebige Werk wurde 2012 unter viel Beifall und Kontroverse veröffentlicht. Falls es Dr. Seyfrieds Absicht war zu schockieren und am Käfig der Krebsgemeinde zu rütteln, dann ist im dies zweifellos gelungen. Das Buch bekräftigt in jedem Kapitel, dass Krebs, genau wie Warburg angenommen hatte, durch Schaden an den Mitochondrien der Zellen entsteht und fortschreitet. Seyfried nennt die Mutationen, die man in der DNS von Krebs beobachtet hatte, „falsche Finten“ die wenig mit der Entstehung der Erkrankung zu tun haben.
Noch etwas vom Jet-Lag beeinflusst ging ich den Korridor der Higgins Hall im Boston Kollege auf und ab, während ich auf Dr. Seyfried wartete. Ich war zu früh dran für unser Treffen, wollte aber die fast kirchenähnliche Morgenstille nicht durch das Klopfen an seiner Bürotür stören; also stand ich da: wie fest gewurzelt, fast schon eingeschüchtert von den Postern im Korridor, welche Jahrzehnte der Krebsforschung zusammen fassten. Ich erschrak, als die Bürotür plötzlich auf flog.
Nach der obligatorischen Vorstellung und einem Smalltalk ging Seyfried in etwas Stichhaltigeres über: „Meine kreativste Zeit des Tages ist am Morgen; in dieser Zeit leiste ich am meisten“. Gerade in dem Moment, in dem das Thema zu Krebs überging, hielt Seyfried abrupt inne: „Ich bin spät dran für meinen Diplomanden-Kurs über Krebs. Wollen Sie sich mit dazu setzen?“. „Natürlich“, antwortete ich.
„Die Professoren in Ihren anderen Unterrichtsstunden für Molekularbiologie und Genetik werden Ihnen sagen, dass Genmutationen der Grund für Krebs sind, denn das ist was man ihnen erzählt hat und es ist das, was man den Professoren davor erzählt hat und was das Lehrbuch schreibt“, erzählte Seyfried seinen Diplomanden in einer beschwingten Art, so als ob er nicht mehr in der Lage wäre, seinen eigenen Enthusiasmus zu zügeln. „Glauben Sie ihnen nicht; betrachten Sie die Beweislage und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung“. Als Seyfried vortrug füllte er den Raum mit einer ansteckenden und angenehmen Aufgeregtheit. Nach dem Unterricht gingen wir durch das Atrium zu seinem Labor. Studenten hielten ihn auf dem Weg auf, um ihm Fragen zu stellen. Im Labor angekommen setzten wir uns zusammen mit einem seiner Diplomanden hin und den verbleibenden Tag über legten die beiden ihre Argumente dar, warum die Krebsgemeinde die wahre Natur es Krebs falsch charakterisiert habe und dass Otto Warburg Recht hatte, also das Krebs eine metabolische Erkrankung sei. Als die Studenten kamen und gingen konnte man nicht umhin das Gefühl zu haben, man befände sich in einem aufregenden Start-Up Unternehmen. Es war die Energie von Innovationen spürbar und ein Gefühl, dass es hier, in Seyfrieds Labor, eine Art Geheimnis gab, das noch niemand ausser ihnen kannte. Sie waren überzeugt, die wahre Natur des Krebs identifiziert zu haben.
Es ist nicht so schwer nach zu vollziehen, wie es passieren konnte. Die Natur, mit ihrem boshaften Sinn für Humor, veranstaltete laut Seyfried eine perfekte Tarnung. Wenn man zuhört wie Seyfried es mit ausgiebigen Details beschreibt, dann scheint es als ob die Metabolische Theorie von einem Obergauner verdeckt wurde: jedes Stück Beweis wurde von ihr manipuliert, um die Aufmerksamkeit vom wahren Straftäter auf einen unschuldigen Umstehenden zu lenken. Die Unterschiede der beiden Theorien sind fein. Anstatt klare Kontraste aufzuweisen sind beide nur einen Tick weit voneinander entfernt.
Die gleichen Stoffe, welche die DNS beschädigen, beschädigen auch die Mitochondrien, also Zigarettenqualm, Chemikalien und andere Krebs erregende Stoffe. Sobald sie einmal beschädigt sind, senden die Mitochondrien Signale aus, die eine Reihe von wichtigen onkogenen Bahnen aktivieren; dadurch werden riesige Teile der genomischen Landschaft verändert, manche Gene werden aufgeweckt, manche Gene schlafen ein und wenn man alles zusammen nimmt, manifestiert es sich in einer unkontrollierten Auswucherung und genomischer Instabilität, also die hervorstechendsten Eigenschaften von Krebs. Der wichtigste Punkt, also die Crux an der ganzen Sache ist, dass die Mutationen, die man als entscheidend ausgemacht hatte, die metabolische Fehlfunktion verdrängen. Auch wenn sie nur ein Nebeneffekt des wahren Ursprungs der Erkrankung sind, so kann man diese Mutationen leicht fälschlicherweise als den Grund ausmachen – und die Forscher somit auf eine mehrere Milliarden teure und mehrere Jahrzehnte lange, aussichtslose Verfolgungsjagd schicken.
Vererbtes Krebsrisiko wird klassisch als Beweis aufgeführt, um die Gentheorie zu unterstützen (vererbte Krebsarten machen aber nur 5% bis 7% aller Krebsfälle aus, während die große Mehrzahl spontan ausbricht). Wenn man Dr. Seyfried mit der Behauptung herausfordert, dass vererbtes Krebsrisiko unwiderlegbaren Beweis erbringe, dass Krebs genetischen Ursprungs sei, so erklärt er, Schritt für Schritt, wie vererbte Krebs erregende Gene sich in Schäden an den Mitochondrien äussern und dadurch Krebs durch Metabolismus verursacht – also wieder eine perfekte Tarnung. Es ist wie ein Detektiv, der nach einer mühseligen Ermittlung Hinweise auf zehn verschiedene Leute findet, die für die Tötung der Mitglieder von bestimmten Familien unter Verdacht stehen; aber wenn der Detektiv tiefer gräbt findet er heraus, das diese zehn Leute die Delikte durch den gleichen Auftragskiller ausführen ließen.
Nehmen Sie zum Beispiel die BRCA1 – Mutation, welche neulich die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog, als verantwortliche Mutation für Angelina Jolies Entscheidung, sich einer doppelten Brustamputation zu unterziehen. Indem man ein fehlerhaftes BRCA1 Gen erbt steigt das Risiko für Brustkrebs im Leben einer Frau von 12% auf 60%. Neben anderen zellulären Aufgaben ist BRCA1 involviert in Funktionen der Mitochondrien, inklusive der Entwicklung neuer Mitochondrien. Daher kann sich eine vererbte Mutation zum BRCA1, welches sein Proteinprodukt funktionsuntauglich macht, in einer reduzierten Kapazität der Mitochondrien äussern, dem metabolischen Ursprung von Krebs.
Sogar Gleevec, das eine erfolgreiche Medikament, wird oft als Beweis für die Richtigkeit der Strategie angeführt, Medikamente gezielt auf die mutierten Produkte von Onkogenen anzusetzen. Ein genauerer Blick verrät, dass Gleevec, obwohl es sich an ein mutiertes Protein bindet, seine Wirksamkeit ausübt indem es eine Bahn verändert, das von einem defekten Metabolismus hochreguliert wird. Wie Seyfried sagt: „Gleevec überfällt einfach eine Mutation die glücklicherweise eine onkogene Bahn, die von beschädigten Mitochondrien aktiviert wurde, herunter reguliert“.
„Gleevec ÜBERFÄLLT einfach eine Mutation die glücklicherweise eine onkogene Bahn, die von beschädigten Mitochondrien aktiviert wurde, herunter reguliert“ – Dr. Thomas Seyfried
Verfechter der metabolischen Theorie des Krebs zögern nicht darauf hinzuweisen, dass der Indizbeweis, der für die Metabolische Theorie spricht, überall anzutreffen ist. Das eine neuartige Gen, zum Beispiel, welches man bisher durch den KGAP entdeckt hat, also welches oben als die signifikanteste Entdeckung aus dem KGAP bezeichnet wurde, ist Isocitrat-Dehydrogenase: ein Gen, welches die kritischen Komponenten der oxidativen Energieproduktion verschlüsselt – und damit ein mutiertes Onkogen mit defektem Metabolismus verlinkt.
Und dann war da noch dieser sonderbare Fall von Metformin. Forscher kratzten sich verwundert am Kopf, als man heraus fand, dass Patienten mit Diabetes Typ 2, welche das Medikament Metformin einnahmen um ihren Blutzucker zu senken, substantiell reduzierte Krebsraten aufwiesen. Wie sich heraus stellte verhinderte dieses Blutzucker senkende Medikament nicht nur Krebs, sondern kann auch Krebs behandeln – was unmissverständlich auf einen Zusammenhang zwischen Metabolismus und Krebs nahelegt.
Bei Menschen, die ihre Kalorieneinnahme begrenzen oder periodisch Fasten konnte man feststellen, dass sie geringere Krebsraten aufweisen. Warum? Wenn Kalorien auf einen bestimmten Grenzwert reduziert werden, beginnt der Körper der Prozess der sogenannten Autophagie (Sich-Selbst-Auffressen). Autophagie ist ein Prozess, der beschädigte Zellkomponenten konsumiert, inklusive beschädigter Mitochondrien, und der diese verdauten Komponenten verwendet, um den Energiebedarf zu decken; wenn man so will, handelt es sich um einen Hausputz, in dem die beschädigten Mitochondrien aussortiert werden, welche die anfängliche Saat sind für die Bösartigkeit.
Metastase ist unzweifelhaft das wichtigste Merkmal von Krebs und es resultiert in 90% der Krebstode. Metastase beinhaltet aggressive und wendige Krebszellen mit der Fähigkeit, Membranen zu zerstören, in den Blutkreislauf zu gelangen, in neue Lagen einzudringen, Form zu ändern und Wachstumsfaktoren als auch Zytokine abzusondern. Natürlich behauptet die Genetische Krebstheorie, dass kritische sequentielle Mutationen in einem weniger aggressiven Krebs resultieren und all diese metastatischen Merkmale annimmt, also zufällige Mutationen die in einem enorm komplexen Zuwachs an Funktionen resultieren. Es überrascht nicht, dass eine KGAP – Nachfolgestudie bei dem Versuch Metastasen-spezifische Mutationen zu finden, nichts dergleichen fand.
Verfechter der metabolischen Theorie des Krebs zögern nicht darauf hinzuweisen, dass der INDIZBEWEIS, DER FÜR DIE METABOLISCHE THEORIE SPRICHT, überall anzutreffen ist.
Wie sich herausstellt sind Tumoren bereits voll von Zellen die man Tumor-assoziierte Makrophagen (TAM) nennt und die alle der oben erwähnten metastatischen Merkmale aufweisen. TAMs sind zähe, draufgängerische Immunzellen, die bereits in der Lage sind Gewebe zu infiltrieren, im Blutkreislauf trampen und in verschiedenen Organen ihr Lager aufschlagen. Es ist bestens dokumentiert, dass Krebszellen mit TAMs innerhalb des chaotischen Tumor-Mikrokosmos fusionieren. Dadurch erhalten TAMs alles notwendige genetische und zytoplasmatische Material das man in Krebszellen findet, inklusive beschädigter Mitochondrien, um diese Zellen einen Schritt näher zur Böshaftigkeit zu treiben. Der chronische und hoch-entzündliche Mikrokosmos wird fortfahren, die Mitochondrien der TAMs zu beschädigen und entfesselt somit Zellen, die wiederum in der Lage sind, ausgewachsene Metastasen zu entfesseln. Die metabolische Theorie bietet eine einfache und elegante Erklärung für Metastasen, die in völliger Harmonie mit den empirischen Beweisen steht, und in völligem Gegensatz zur Genetischen Theorie. Wie Einstein sagte: „Die einfachste Lösung ist normalerweise die richtige“.
Düngemittel für den Gärtner
Wie steht es um die Behandlung? Anstatt auf flüchtige, Form verändernde, jetzt-hier-und-im-nächsten-Fall-verschwundene Mutationen abzuzielen, bietet die Metabolische Theorie des Krebs den Forschern ein wunderschön großes Ziel: Krebszellen aller Couleur, egal aus welchem Gewebe entnommen, müssen wegen ihrer beschädigten Mitochondrien zur Energieproduktion Glukose fermentieren, während normale Zellen andere Optionen haben. Am Ende des Tages ist jede Theorie zur Erklärung von Krebs nur so gut wie die Therapien die daraus entspringen; das ist der Punkt an dem die Metabolische Theorie die Theorie verlässt und Realität wird.
Wenn Krebs durch einen defekten Metabolismus verursacht wird, dann ist der erste und logischste Ort für das Einführen einer Behandlung die Ernährung: immerhin ist die Ernährung der schnellste und sicherste Weg um den Metabolismus zu verändern. Wie sich heraus stellt gibt es eine Möglichkeit, die Ernährung zu beeinflussen und den Blutzucker drastisch zu senken, auf den die Krebszellen so stark angewiesen sind; auf diese Weise wird der Körper gezwungen, neue Kraftwerke aus Fett zu generieren, die sogenannten Ketonkörper. Hierbei handelt es sich um eine Energiequelle, die Krebszellen nicht verwenden können, denn Ketonkörper können nur durch oxidative Bahnen verbrannt werden, also in gesunden und voll-funktionalen Mitochondrien. Die ‚Achillesferse’ des Krebs, wie Watson es ausdrückte.
Wie steht es um die Behandlung? Anstatt auf FLÜCHTIGE, Form verändernde, jetzt – hier – und – im – nächsten – Fall – verschwundene Mutationen abzuzielen, bietet die Metabolische Theorie des Krebs den Forschern ein wunderschön GROSSES Ziel.
Während sie in den medizinischen Fachzeitschriften als eine unbedeutende Randnotiz abgetan wird, konnte die ketogene Diät in den 1920ern als eine sehr effektive, ja merkwürdige Therapie für pädiatrische Epilepsie beobachtet werden, also ungefähr zur gleichen Zeit, in der Warburg seine beeindruckenden metabolischen Defizite der Krebszellen in seinen Petrischalen wahr nahm. Jedoch geriet dies alles weitestgehend in Vergessenheit, als in den 40er Jahren krampfhemmende Medikamente entwickelt wurden.
Die derzeitige Wiederauferstehung der ketogenen Diät, jetzt um Krebs zu behandeln und als ‚eingeschränkte ketogene Diät’ tituliert, entsprang dem Werk in Dr. Seyfrieds Labor. Indem man sehr aggressive Modelle von Hirnkrebs in Mäusen verwendete, konnten sie überwältigende Erfolge feiern; und diese Erfolge erreichte man lediglich mit Ernährung.
Die eingeschränkte ketogene Diät begrenzt die Gesamt-Kalorienzahl und eliminiert Kohlenhydrate praktisch komplett, was den Blutzuckerwert von ungefähr 100 mg-dl auf ungefähr 55 oder 65 mg-dl reduziert. Dies zwingt die Leber aus Fett kleine Moleküle, sogenannte Ketonkörper, herzustellen, welche die Rolle von Glukose als einen Zirkulationsantrieb zu übernehmen. „Sobald sich ein Patient in diesem Stadium der Ketose befindet, stehen seine Krebszellen unter enormen Druck, weil man sie in Bezug auf Energie aushungert; gesunde Zellen hingegen gehen einfach dazu über, in ihren intakten und funktionstüchtigen Mitochondrien Ketonkörper zu verbrennen“, sagt Seyfried.
„Die parallele Geschichte der ketogenen Diät als Krebsbehandlung und die ketogene Diät als Behandlung bei Epilepsie ist eindrucksvoll ähnlich“, sagt der Hollywood Filmemacher, Autor und Gründer der Charlie-Stiftung, Jim Abrahams.
Niemand kennt die Geschichte der ketogenen Diät besser als Jim. Mitte der 1990er Jahre, bevor er jemals von der ketogenen Diät gehört hatte, war Jim am Ende seiner Fahnenstange angekommen. Die schwere Epilepsie seines Sohnes Charlie sprach nicht auf Medikamente an und fünf verschiedene Neurologen hatten nur wenig Hoffnungsvolles anzubieten. „Sobald ich von der ketogenen Diät gehört hatte, probierten wir sie umgehend aus; innerhalb von Tagen war Charlie frei von Anfällen. Ich war gleichzeitig verdutzt und verärgert zu jener Zeit. Wie konnte die Öffentlichkeit nichts davon wissen?“. Jims Bemühungen, die Öffentlichkeit zu informieren beinhalteten ein Erscheinen im Dateline-Programm des Fernsehsenders NBC und ‚First Do No Harm’, einem Fernsehfilm mit Merryl Streep in der Hauptrolle, und letztlich die Gründung der Charlie-Stiftung. „Als ich mit der Charlie-Stiftung anfing dachte ich, es würde relativ geradlinig werden: Wir würden die Öffentlichkeit von dieser unglaublich effektiven Ernährungsbehandlung für Epilepsie informieren und das würde ausreichen. Leider war es nicht ganz so einfach. Heutzutage wurden alle Mythen entkräftet, die vorgebracht wurden um von dieser Ernährungsweise abzulenken. Die Wirksamkeit wurde wissenschaftlich etabliert, Langzeit-Nebeneffekte wurden zerstreut, die Verträglichkeit wurde drastisch erhöht und die Schwierigkeit der Anwendung wurde enorm reduziert. Das größte Problem heutzutage ist es herauszufinden, wie Krankenhäuser ausgebildete Berater für ketogene Diät für deren Zeit entlohnen können“.
„Die Wirksamkeit dieser Ernährungsweise ist bemerkenswert“, sagt Dr. Seyfried. „Wenn jemand in der Lage wäre, die ketogene Diät als eine Pille gegen Krebs zu verpacken, wäre diese ein bombastischer Kassenschlager. Es wäre überall in den Medien. Die Ironie daran ist: weil es kostenlos ist, interessiert es keinen“. Dr. Seyfried und seine Kollegen, wie Dr. Dominic D’Agostino von der Universty of South Florida haben die enorme Fähigkeit der ketogenen Diät aus erster Hand gesehen. D’Agostino meint: „Wir haben komplettes Abklingen gesehen, trotzdem dass die Chancen extrem schlecht standen“.
„Die Wirksamkeit dieser Ernährungsweise ist bemerkenswert. Wenn jemand in der Lage wäre, die ketogene Diät als eine Pille gegen Krebs zu verpacken, wäre diese ein bombastischer Kassenschlager.
Es ist nicht schwer diejenigen zu finden, die als Fürsprecher der Krebs-bekämpfenden Fähigkeiten dieser Ernährung auftreten. So zum Beispiel Miriam Kalamian, eine äusserst energetische Mutter und Befürworter der ketogenen Diät, die sagt, sie hätte das Leben ihres Sohnes gerettet: „Im Dezember 2004 wurde bei unserem vier Jahre alten Sohn Raffie ein Hirntumor diagnostiziert. Nach drei Operationen und mehreren erfolglosen Behandlungen mit Medikamenten war klar, dass der Tumor gewinnen würde. Unser kleiner Kämpfer hatte alles getan, worum wir ihn gebeten hatten; aber er konnte seinem Gegenspieler nicht das Wasser reichen. Im März 2007 entdeckten wir Forschungen des Boston College die gezeigt hatten, dass eine kalorisch eingeschränkte ketogene Diät die weitere Entwicklung von Hirntumor verlangsamen könnte… Wir hatten nichts zu verlieren, und so begann Raffie mit der Unterstützung unseres Kinderarztes und des Onkologen die eingeschränkte ketogene Diät gleichzeitig mit einer Niederdosis-Chemotherapie (das selbe Medikament, das vorher keine Wirkung gezeigt hatte). Verblüffender Weise ging der Tumor um 15% in den ersten drei Monaten zurück! Die Chemotherapie wurde im Dezember 2007 abgesetzt und Raffie setzte die ketogene Diät als seine einzige Therapieform für weitere drei Jahre fort.1“
Dann war da noch Dr. Fred Hatfield, den man zum Sterben nach Hause gesendet hat. „Die Knochen in meinem gesamten Beckengürtel waren durchdrungen von metastatierendem Prostatakrebs. Ich war an einen Rollstuhl gebunden, da die Knochen an manchen Stellen Risse aufwiesen. Drei verschiedene Ärzte gaben mir nur noch drei Monate zum Leben. Dann hörte ich von Dr. D’Agostino und der ketogenen Diät und entschloss, dass es einen Versuch wert sei. Der nächste Scan den ich hatte war komplett befundfrei“. Ich rief Dr. Hatfield an um zu sehen, wie es ihm in letzter Zeit ging; er musste mich zurück rufen weil er gerade dabei war zu tapezieren. „Alles befundfrei. Ich stelle sicher, mindestens einmal pro Monat in Ketose zu gehen. Die metabolische Therapie hat mein Leben gerettet“.
Miriam Kalamian und Dr. Hatfield sind bei weitem nicht die einzigen. Viele verzweifelte Krebspatienten sind auf die ketogene Diät gestoßen und behandeln sich damit selbst, manche mit bemerkenswertem Erfolg. Man kann sie in Internet-Foren, per E-Mail etc finden; sie sind eine ruhige aber wachsende Gemeinde und viele sind verwirrt, warum Doktoren so wenig darüber wissen.
„Die metabolische Therapie macht trotzig Boden gut und die Zahl an E-Mails die ich täglich von Menschen mit Interesse an einer Behandlung bekomme oder die bereits diese Behandlung einsetzen, ist exponentiell angestiegen“, sagt Dr. Seyfried. Dies ist keineswegs eine isolierte Beobachtung: jeder, der sich mit der ketogenen Diät beschäftigt, sagt das Gleiche.
„Wir ändern unseren Namen“, sagt Jim Abrahams von der Charlie-Stiftung, „von ‚Die Charlie-Stiftung um Kinderepilepsie heilen zu helfen’ hin zu ‚Die Charlie-Stiftung der Ketogenen Therapie’. Frühe wurden wir nur von Leuten kontaktiert, die an der Ernährung bezüglich Epilepsie interessiert waren; heute sind die Hälfte derer, die uns kontaktieren, an der ketogenen Diät interessiert um andere Beschwerden zu adressieren, inklusive Krebs“.
„Sobald man Krebs im Licht einer metabolischen Krankheit sieht, erhält man aufregende Behandlungsoptionen. Die ketogene Diät ist nur der erste Teil der niedrig hängenden Früchte, denn die Medikamente die auf den defekten Metabolismus bei Krebs abzielen sind noch im Anfangsstadium; nimmt man diese beiden Ansätze zusammen, dann wird es wirklich interessant“, sagt Dr. Seyfried. Der springende Punkt den die Wissenschaftler hervorheben, welche die Kombination aus ketogener Diät und auf den Metabolismus ausgerichtete Medikamente studieren, ist: die ketogene Diät unterscheidet sich in einer Art und Weise, wie dies kein chemotherapeutisches Medikament derzeit auf dem Markt in der Lage ist; die ketogene Diät macht gesunde Zellen gesunder und kranke Zellen kränker, was Synergie-Effekte möglich macht, wenn verbundene Wirkstoffe verwendet werden. Es ebnet die therapeutische Landschaft damit diese empfänglicher ist für zusätzliche Behandlungen, die den Metabolismus anvisieren. Wenn man es als umfassende therapeutische Strategie zusammen nimmt, dann wäre die ketogene Diät das, was für den Maler die Grundierung oder für den Gärtner der Dünger ist.
Wenn man es als umfassende therapeutische Strategie zusammen nimmt, dann wäre die ketogene Diät das, was für den Maler die GRUNDIERUNG oder für den Gärtner der DÜNGER ist.
Auf die Ersatzbank verdammt
Sollte es eine moderne Wiedergeburt des Geistes, der Brillanz und der Beharrlichkeit des Otto Warburg geben, dann ist das Dr. Peter Pedersen von der John Hopkins School of Medicine in Baltimore. Wenn Warburgs Krebstheorie im frühen 20. Jahrhundert ein loderndes Feuer war, dann ist es in der Mitte des Jahrhunderts zu einem kleinen Flackern geworden, einem Flackern, das alleine Dr. Petersen gehegt und am Leben erhalten hat. „Ich habe mitverfolgt, wie das Interesse am Metabolismus des Krebs in den 70er Jahren gegen Null gesunken ist, aber jetzt kehrt es zurück. Es gab Zeiten in meinem frühen Berufsleben in denen ich dachte, dass ich der einzige sei, der Energiemetabolismus als wichtiges Problem in Bezug auf Krebs betrachtet. Ich erinnere mich sogar an einen Kollegen, einen Experten in DNS-Technologie, der Lehningers Warburg-Laborflaschen in den Müll warf, weil sie eine Reliquie einer vergangenen Ära der Krebsforschung seien“.
Nichtsdestotrotz schwamm Pedersen unbeirrt weiter gegen den Strom, indem er die kritische molekulare Architektur im Innenleben eines defekten Krebs-Metabolismus aufzeichnete. Sobald sein Labor die pathologisch veränderte Infrastruktur, die sich in der äusseren Mitochondrien-Membrane einer Krebszelle befindet, verdeutlicht hatte, begannen sie nach Wirkstoffen zu suchen, die auf die strukturellen Differenzen abzielen, die Pedersen zwischen normalen Zellen und Krebszellen identifiziert hatte, und sich diese zu Nutzen machen. „Nachdem wir nur neun Präparate überprüft hatten, stießen wir auf eines mit dem Namen 3BP, das unglaublich wirkungsvoll war. Pharmazie-Unternehmen überprüfen normalerweise abertausende an Präparaten bevor sie eines finden, das wirkungsvoll sein könnte; wir sind nur neun durch gegangen“. Als sein Labor 3BP allerdings in Ratten testete, stieß man auf ein neues Problem. „Ein Problem, das wir im Labor haben ist, was wir mit den ganzen Ratten machen sollen, an denen wir 3BP testen, weil wir sie alle heilen. Wir mussten also herausfinden, wohin mit all den Ratten“, sagte Pedersen.
Im Winter 2009 war es an der Zeit für 3BP, seine Kinderstube in Pedersens Labor zu verlassen und sich in einer Testumgebung der wirklichen Welt zu beweisen: vom Labor ans Krankenbett. Es war an der Zeit, 3BP an den ersten menschlichen Krebspatienten auszuprobieren. Der Patient war 16 Jahre alt und hatte ein hepatozelluläres Karzinom (HZK), also Leberkrebs. 3BP wurde in Abständen von ca. zwei Wochen bis einem Monat mehr als ein halbes dutzend Mal dargereicht. Wieder war das Problem, auf das man stieß, die umwerfende Effizienz mit der 3BP Krebszellen abtötete.
Zu Beginn wies der Patient einen großen Tumor in seiner Leber auf. Als 3BP rapide massive Mengen an Krebszellen mit unglaublicher Geschwindigkeit zerstörte, erlitt der Patient einen vorüber gehenden Fall von Tumorlyse-Syndrom. Hierbei handelt es sich um ein toxisches Begleitleiden das auf den Körper einwirkt und vom gleichzeitigen Tod sowie dem Freisetzen maligner Überreste in den Blutkreislauf herrührt. Zum Glück erwies sich das Tumorlyse-Syndrom als vorübergehend und schon bald begann der Regenerationsprozess in der Leber des jungen Patienten. Der Patient begann damit, seinen Körper wieder zu trainieren um normalen Aktivitäten nachgehen zu können, also normal essen, schlafen, gehen etc. Während der Regenerationsprozess der Leber im Gange war, musste der Patient Antibiotika aufgrund einer unerwarteten Lungenentzündung einnehmen. Leider konnte seine sich gerade erst regenerierende Leber die Antibiotika nicht entgiften und er verstarb. Wenn eine solche Infektion hätte verhindert werden können, hätte das Resultat wohl die Forschergemeinde dazu gezwungen, ein größeres Augenmerk darauf zu legen.
„3BP verlangsamt nicht einfach nur die Vergrößerung wie die meisten anderen chemotherapeutischen Wirkstoffe, sondern es sprengt die Krebszellen. In Zukunft müssen wir wohl sehr vorsichtig sein, wie wir es aufgrund seiner unglaublich durchschlagkräftigen und explosiven Natur durch die Klinik bewegen“, sagt Dr. George Yu von der George Washington University, der gespannt wie kein anderer darauf ist, dass es klinische Studien zu 3BP geben wird. „Ich würde 3BP sehr gerne in Verbindung mit einer eingeschränkten ketogenen Diät sehen, denn die Ernährung fördert den aktiven Zelltod (pro-apoptotisch) und wird die Art und Weise verändern, wie die Zellen sterben: sie werden kontrollierter sterben, also mit weniger Entzündung und weniger Freigabe toxischer Substanzen.“
„3BP verlangsamt nicht einfach nur die Vergrößerung wie die meisten anderen chemotherapeutischen Wirkstoffe, sondern es sprengt die Krebszellen. In Zukunft müssen wir wohl sehr vorsichtig sein, wie wir es aufgrund seiner unglaublich durchschlagkräftigen und explosiven Natur durch die Klinik bewegen“, sagt Dr. George Yu
3BP entsprang einem Gedankenkonstrukt: ein Produkt menschlicher Genialität und das Ergebnis von Logik und Vernunft. Aber als passiver und neutraler Beobachter komme ich nicht umhin, 3BP als eine Art Super-Fußballer zu betrachten, der auf ein sich abquälendes Team stößt und in der Lage zu sein scheint, jede sich ihm bietende Torchance zu verwandeln; aber aus irgend einem unbekannten Grund sitzt er nur auf der Ersatzbank.
3BP ist nicht der einzige viel versprechende Spieler, der auf der Ersatzbank sitzt. Es wurden andere Fälle dokumentiert, in denen Krebspatienten die paar wenigen Wirkstoffe eingenommen haben, von denen bekannt ist, dass sie auf den Tumor-Metabolismus abzielen und sich diese selber zugeführt haben; sie konnten dadurch ein vollständiges und dauerhaftes Abklingen erreichen. Ein solcher Fall ist ‚Dichloressigsäure’ (DCA, von engl. dichloroacetate): dieses auf den Metabolismus abzielende Medikament erhielt nach einem Artikel im New Science Journal mit dem Titel „Cheap, ‚safe’ drug kills most cancers“ (günstiges und ‚sicheres’ Medikament tötet die meisten Krebsarten) einiges an Presse; jedoch fiel es wieder der Vergessenheit anheim, nachdem sich heraus stellte, dass es keine finanzielle Fördermittel für dieses günstige Medikament gab. Eine Studie berichtet von einem Mann, der wegen des Non-Hodgkin-Lymphoms um sein Leben kämpfte. Nachdem die etablierte Chemotherapie versagt hatte und der Krebs nach ein paar Monaten aggressiv wieder aufflammte, entschloss er sich selbst mit DCA zu behandeln, da er keine Lust mehr auf weitere Übelkeit und Müdigkeit durch die Chemotherapie hatte. Nach Eigenrecherche begann er, jeden Tag 1000mg DCA in einer Flasche Limonade (Mountain Dew) zu vermischen. „Innerhalb von 2 Wochen nach Beginn dieses Plans berichtete der Patient von einer signifikanten Reduzierung der nächtlichen Schweißausbrüche, des leichten Fiebers, der Appetitlosigkeit und Müdigkeit. Einen Monat nach Beginn der DCA-Behandlung waren die Knoten im Nacken merkbar kleiner und nach zwei Monaten waren keine Knoten mehr zu ertasten. Nach 71 Tagen konnte man von einem kompletten Abklingen der systemischen Symptome sprechen. Der Patient berichtete von einem guten Energielevel und Appetit, der Fähigkeit gut zu schlafen und keinen Nebeneffekten.
„Wenn man ein Koordinatensystem mit einer Zeitlinie und dem ausgegebenen Geld aufzeichnen würde, in dem man dann die erreichten Resultate für alle Behandlungen gegenüberstellen würde, die aus der Theorie der Somatischen Mutation des Krebs hervorgegangen sind, dann würde Ihnen das zweifellos sagen: man muss verrückt sein, weiterhin das gute Geld für dieses mit Fehlern behaftete wissenschaftliche Paradigma auszugeben“, sagt Dr. Seyfried. „Wenn kann das gleiche Koordinatensystem zeichnet für das ausgegebene Geld und die erreichten Resultate der metabolischen Behandlung, dann würde das Potential sogar für ein Kind offensichtlich erscheinen.“
„Es ist sehr schwer, diesbezüglich nicht zynisch zu sein; normalerweise läuft alles auf das Thema Geld hinaus“, sagt Jim Abrahams. „Die knallharte Wahrheit ist, dass das Thema Ernährung kostenfrei ist, weshalb nur wenig Interesse daran besteht; die normalen Geldgeberquellen (Pharmazie-Unternehmen) scheren sich einfach einen Dreck dafür“. Die Medikamente, die auf den Metabolismus des Krebs abzielen, sehen sich den gleichen Herausforderungen gegenüber wie die ketogene Diät: die meisten sind nicht patentierbar, weshalb wenig Interesse daran besteht. Die Rechnung über 100 oder mehr Millionen, die notwendig sind um ein Medikament aus dem Labor auf den Markt zu bringen wird normalerweise von den Pharmazie-Unternehmen übernommen; eine Rechnung, die typischerweise ein Vielfaches der Entwicklungskosten einspielt, sobald ein Patent dafür erhalten wurde“.
„Wenn man ein Koordinatensystem mit einer Zeitlinie und dem ausgegebenen Geld aufzeichnen würde, in dem man dann die erreichten Resultate für alle Behandlungen gegenüberstellen würde, die aus der Theorie der Somatischen Mutation des Krebs hervorgegangen sind, dann würde Ihnen das zweifellos sagen: man muss verrückt sein, weiterhin das gute Geld für dieses MIT FEHLERN BEHAFTETE wissenschaftliche Paradigma auszugeben. Wenn kann das gleiche Koordinatensystem zeichnet für das ausgegebene Geld und die erreichten Resultate der metabolischen Behandlung, dann würde das Potential sogar für ein Kind offensichtlich erscheinen.“ – Dr. Thomas Seyfried.
Als Konsequenz kann man sagen, dass Verfechter dieser Therapien die Öffentlichkeit im Gesamten ist, also Befürworter, welche die Aussagen anderer gehört haben und dies dann von deren eigenen Ärzten verlangen.
In der Medizin kommt es manchmal vor, dass ein paar abenteuerlustige Individuen dazu kommen, dem gesamten medizinischen Gebilde etwas beizubringen; der Schwanz wedelt hier also mit dem Hund. Einer davon ist Barry Marshall. Die medizinische Gemeinde stempelte ihn als Quacksalber ab, aufgrund seiner Behauptung, dass eine bisher noch unbekannte Spezies von Bakterien der wahre Grund sei für Geschwüre und nicht der Stress, wie üblicherweise angenommen; Bakterien hingegen konnten gemäß der bisherigen Konventionen nicht in der säurehaltigen Umgebung des Magens existieren. Sobald Marshall überzeugt war, dass er das schwer fassbare Bakterium isoliert hatte, züchtete er es in einer Flasche und trank es. Das vielfach publizierte Geschwür, das er sich so selbst geschaffen hatte, wurde in einer medizinischen Fachzeitschrift dokumentiert. Auf diese Weise bewies er dem Etablissement zweifelsfrei, dass ein Bakterium (jetzt identifiziert als helicobacter pylori) Geschwüre hervorrufen kann. Marshall gewann später den Nobelpreis.
Die Entdeckung der Dunklen Materie?
Als Bert Vogelstein die Existenz einer ‚Dunklen Materie’ in der Krebs-Biologie ausrief, waren epigenetische Auslöser die offensichtlichste Möglichkeit die er vorschlug. Epigenetisch ist ein Begriff für all die ‚anderen’ Einflüsse, die auf die DNS einwirken und die über den festgelegten, genetischen Code hinaus gehen. Im Gegensatz zum genetischen Code sind diese epigenetischen Auslöser plastische, flüssige und vorübergehende Kräfte, die auf die Ausdrucksform der Gene einwirkt. Die alles entscheidende Verbindung bzw. der eine Prozess den Warburg nicht ausfindig machen konnte und die seine Krebstheorie vom Anfang bis zum Ende in eine einzige, wunderschöne Erklärung des Krebs verpackt hätte, sind die epigenetischen Signale. Dr. Seyfried und andere gehen davon aus, dass chronische und dauerhafte Beschädigung der zellulären Mitochondrien letztlich ein epigenetisches Signal von den Mitochondrien zu der nuklearen DNS auslöst und somit die Ausdrucksformen einer ganzen Reihe an ausschlaggebenden krebserregenden Genen verändern – ein klassisches epigenetisches System. Es drängt sich also die Frage auf: Könnte die Metabolische Theorie vielleicht Vogelsteins schwer zu greifende Dunkle Materie sein?
Kann es wirklich möglich sein, dass dies so viele hervorragende Köpfe nicht verstanden haben? Die Geschichte bietet uns eine Perspektive, mit der wir diese Frage angehen können: Jede Generation denkt, dass sie in puncto moderner Technologie die creme de la creme darstellt; die Wahrheit jedoch ist, dass unser Bezugspunkt nur eine Sekunden-Aufnahme im Zeitverlauf ist. Zweifellos werden einige Medizinstudenten in ein paar hundert Jahren darüber lesen, wie wir Krebs-Patienten behandelt haben; sie werden großes Mitleid haben bezüglich unserer unaufgeklärten und barbarischen Methoden, durch die so viele Menschen gelitten haben und davon gestorben sind. Das ganze medizinische Gebilde der Krebsforschung, mit seiner enormen Infrastruktur, all den Investitionen und den davon abgeleiteten Lebensunterhalten (von Geschäftsleuten und Verkäufern hin zu Ärzten und Krankenschwestern), ist genauso umfassend wie ein schwarzes Loch, und es hat damit zu kämpfen, dass es sich mit der Trägheit eines arktischen Eisbergs bewegt. Irgendwo in der Mitte dieses kolossalen Monstrums befinden sich die Forscher, die weltlichen Hohepriester des gesamten Systems. Mit dem Gehorsam einer devoten Gemeinde füllen wir das Almosensäckel mit Steuergeldern und wohltätigen Spenden, wodurch wir ihnen die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen, damit sie ihr undurchsichtiges Handwerk fortführen können; anschließend warten wir und hoffen voller Zuversicht, dass sie ein Heilmittel finden werden. Weil uns ihre Arbeit so fremd und ihre Diplome so prestigevoll sind, halten wir sie für unfehlbar. Institutionen wie diese sind in vielerlei Hinsicht diejenigen mit der größten Wahrscheinlichkeit, ein Problem falsch zu verstehen, bei dem es auf das große Ganze ankommt. Die Geschichte ist voll von Beispielen, in denen die Menschheit bei schwerwiegenden wissenschaftlichen Fragestellungen für lange Zeit komplett falsch lag, oftmals mit großen Institutionen im Hintergrund, und wo die wenigen Unerschrockenen verfolgt wurden, die den status quo hinterfragen. Lassen Sie uns nicht vergessen: die Erde war einmal flach und die Sonne ist um sie herum gekreist, man nahm an der Aderlass würde Hämophilie heilen, wir haben Löcher in Köpfe geschnitten um von Dämonen zu befreien und wir haben Hexen verbrannt. Der menschliche Fortschritt ist voll von Ende und Neuanfang, Sackgassen und Eingebungen. Warum sollte das jetzt anders sein?
Nach meiner Reise nach Boston für das Interview mit Dr. Seyfried nahm er sehr gerne meine Einladung an, in meine Heimatstadt Rapid City in South Dakota zu kommen, um dort vor den Ärzten unseres regionalen Krankenhauses über die Metabolische Theorie des Krebs sowie die davon abgeleiteten Behandlungen zu sprechen. Am Morgen vor seinem Vortrag fuhren wir die 50km zum Mount Rushmore; dort spazierten wir den landschaftlich ansprechenden und ca. einen Kilometer langen Pfad entlang, der sich zwischen den riesigen Granitbrocken und Pinien unterhalb des Nationalmonuments entlang schlängelte. Es war ein perfekter Juni-Morgen, mit Temperaturen in den angenehmen 20ern und nur gelegentlich störten Wolken den ansonsten perfekten blauen Himmel. Das zwanglose Schlendern durch diese wunderschöne Landschaft inspirierte zu einer unbefangenen Unterhaltung. „Was glauben Sie würde geschehen, wenn alle Mittel, die derzeit auf die genetischen Aspekte des Krebs aufgewendet werden nun für den Metabolismus des Krebs zur Verfügung gestellt würden?“, fragte ich ihn. Dr. Seyfried pausierte und dachte nach; dann antwortete er: „Zehn Jahre. Ich gehe jede Wette ein, dass wir in zehn Jahren wirkliche Heilmittel haben könnten, falls das passieren sollte.“
Travis M Christofferson, M.S.
Gründer von SingleCauseSingleCure.Org
1 Raffie starb im April 2013. Miriam ist davon überzeugt, dass Raffie noch unter uns weilen könnte, wenn er die ketogene Diät schon zum Zeitpunkt seiner Diagnose begonnen hätte.
* Übersetzt aus dem Englischen von David Altmann, Original: The Origin of Cancer.
Der Übersetzer ist kein studierter Übersetzer oder Biologe, geschweige denn Krebsforscher; stattdessen sah er es, da er selbst sehr an diesem Thema interessiert ist, als seine Pflicht an, diesen Artikel auch dem Deutsch sprachigen Leser zugänglich zu machen und hat daher nach bestem Wissen und Gewissen übersetzt, dies auf eigene Kosten und ohne Entlohnung und mit ausdrücklicher Erlaubnis von Robb Wolf (auf dessen Webseite dieser Artikel in der englischen Originalfassung zum ersten Mal erschienen ist). Es gilt das englische Original. Da es sich lediglich um eine Übersetzung handelt, kann der Übersetzer keine inhaltlichen Fragen beantworten. Bitte wenden Sie sich bei Fragen diesbezüglich direkt an den Autor des englischen Originals, also Travis M Christofferson. Es ist anzunehmen, dass der Autor Fragen beantwortet, die im Kommentarfeld unterhalb des englischen Originalartikels gestellt werden, siehe: The Origin of Cancer. Es steht Ihnen natürlich frei, Ihre generelle Meinung zum Artikel auch auf dieser Webseite im dafür vorgesehenen Kommentarfeld unten zur Sprache zu bringen. Da die Übersetzung aus den oben genannten Gründen nicht den Anspruch hat, perfekt zu sein, werden Verbesserungsvorschläge (bitte in Bezug auf das englische Original!) willkommen geheissen, um diesen Artikel für alle interessierten aber nicht sachkundigen Leser zu perfektionieren. Der oben verwendete Begriff ketogene ‚Diät‘ bezieht sich nicht auf ‚Diät‘ im Sinne von Abnehmen sondern steht für ketogene ‚Ernährung/Ernährungsweise‘ (abgeleitet vom griechischen Wort ‚diatrofi‘). Der Artikel, und ganz besonders die Übersetzung, haben nicht den Anspruch, den Besuch und den Rat Ihres Arztes zu ersetzen und dient ausschließlich informativen Zwecken. Da dieses Thema vermutlich für viele von Krebs betroffenen Menschen von Nutzen sein kann, ist das Teilen des Links zu dieser Übersetzung ausdrücklich gewollt und sehr erwünscht. Danke sehr.
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