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Wie kann ich schnell abnehmen?
Eine (sinnlose?) Frage als Spiegel unseres Zeitgeists

Cruikshank-The Cholic-kohlenhydrate tabelle

Millionenfach wird täglich im Internet nach Patentrezepten zur Frage „Wie kann ich schnell abnehmen?“ gesucht. Anscheinend besuchen wir alle Abteilungen von Schlaraffia zu häufig. Wir geben uns leidenschaftlich gerne ungezügelter Sinnenlust hin und erwachen geschockt, wenn wir die Personenwaage betreten. Oder unterfüttern wir nur unser Menschenbild mit falschen Vorstellungen?

Zu viel Gewicht auf den falschen Dingen?

Es ist durchaus verständlich, dass wir Menschen in jedem Kontext eine „gute Figur“ machen möchten. Wir schulden es schon unserem ästhetischen Empfinden, möglichst lange jung, vital und ansehnlich auszusehen. Zudem ist es auch eine optische Reminiszenz an unsere Liebespartner. Doch leider ist das jung und schlank bleiben alles andere als leicht. Niemand möchte sich bei Figurproblemen wochenlang mit Diäten und dem Verzicht auf leckere und sättigende Nahrung plagen. Unsere Wunschvorstellung ist, möglichst schnell und effektiv zum Traumgewicht zu kommen. In Zeiten, in denen uns Suchmaschinen innerhalb eines Sekundenbruchteils mehrere Hunderttausend Suchergebnisse auf eine Frage liefern, scheint dieser Anspruch nach ‘möglichst schnell’ auch auf unseren Wunsch danach übergegangen zu sein, wie schnell wir abnehmen wollen. Von diesem Versprechen lebt mittlerweile eine ganze Industrie. Sie kann sich mittlerweile sogar teure Sendezeiten im TV-Abendprogramm leisten. Unumstößliche Tatsache ist: Übergewicht ist nachteilig für die Gesundheit. Oberschenkel-Fettpolster, voluminöse Speckbäuche und Rettungsringe um die Hüfte sind nicht nur unschön, sondern sie ziehen auch zahlreiche Erkrankungen nach sich. Je mehr Fettreserven man an den üblichen Stellen ansammelt, desto schneller leidet man an Diabetes Typ 2 und anderen gewichtsbedingten Folgen.

Sündenböcke gefällig?

Die einfachste Lösung wäre, vorbeugend so zu essen, damit wir gar nicht erst Speckrollen ansetzen. Abschließend noch ein deutliches Mehr an Bewegung für uns sitzende Spezies, und schon wäre das Ganze wohl ein wesentlich weniger großes Thema. Bei Gewichtsproblemen erwarten wir, mit einem Wundermittelchen oder einem Diätplan, der uns appetitliche Schlemmer-Mahlzeiten erlaubt und keinen Heißhunger auslöst, in Nullkommanichts unser Traumgewicht zurück zu erobern. Leider bleibt das eine Illusion. Wir legen anscheinend zu viel Gewicht auf die falschen Dinge. Deswegen machen viele Menschen jede neue Diät mit, die erfunden wird. Jedenfalls so lange, bis sie einknicken und die nächste Süßigkeitenabteilung in einem Supermarkt ansteuern. Wie kann es sein, dass fünfzigjährige Männer lebenslang wie Markus Schenkenberg und Frauen dauerhaft so sexy wie Pamela Andersen aussehen wollen, obwohl sie Tag für Tag alles tun, damit dem nicht so ist?? Ist es eine Sucht nach Kohlenhydraten, die genetisch programmiert ist, wie Buchautor Dr. Richard Heller in seinem Buch „Die Fressbremse“ propagiert? Oder ist der böse Weizen schuld, wie sein US-Kollege Dr. William Davis in „Die Weizenwampe“ behauptet?

Wonach hungern wir eigentlich?

Dienen uns die Kalorienbomben aus dem Supermarkt-Schlaraffenland als Trost dafür, dass nichts auf Erden so ist, wie wir es erträumen? Interessieren uns die Nährstoffe, die unser Organismus regelmäßig zum Überleben braucht, eigentlich? Ist Essen in der modernen Gesellschaft nur noch reine Triebbefriedigung nach dem Motto „Hauptsache, es schmeckt – egal was drin ist.“? Oder steuern wir schon bald die nahrhafte Alternative des Astronauten-Zeitalters an, siehe zum Beispiel „Soylent“, die praktische Flüssignahrung aus dem Plastikpack (die es wohl mittlerweile auch auf Amazon in Europa zu kaufen gibt). Schmeckt nach nichts, erfordert nicht einmal eine halbe Minute der Zubereitung und enthält – angeblich – alles, was der Körper braucht. Der Chemiebaukasten der Lebensmittelindustrie lässt grüßen. Hatte nicht die Wissenschaft bereits vor Jahren experimentell nachgewiesen, dass wir appetitlos, depressiv und krank werden, wenn wir nur noch weiße Nahrung ohne jeden farblichen Impuls verzehren? Worin unterscheidet sich eine weiße geschmacklose Flüssigkeit davon – egal, welchen Nährwert sie besitzt? Andere Experimente mit ähnlichem Ergebnis wurden mit blau eingefärbtem Blumenkohl ausgeführt. Anscheinend benötigen wir genau die Nahrung, die die Natur uns so reichlich bietet. Doch stattdessen verzehren wir immer öfter das, was uns die Lebensmittelchemie und die einfache Gastronomie vorsetzen.

Wollen wir betrogen werden? Eta-Tragol-Bonbons_Kohlenhydrate Tabelle

Manche Esoteriker fallen gar der Idee anheim, dass „Lichtnahrung“ all unsere Gewichtsprobleme löse. Das wird sie als Null-Kalorien-Diät auch tatsächlich tun. Das einzige, worum man sich vor dem Ausprobieren kümmern sollte, ist eine Grabstelle. Wie viele Menschen sind bereits zweifelhaften Produkten wie „Asea“ oder „Soylent“ anheimgefallen? Ersteres enthält nicht existierende „Redox-Moleküle“ in einer überteuerten Wasserlösung, der man gesundheitliche Wunderwirkungen zuschreibt. Letzteres entpuppt sich als eine neue Perversion in Sachen Diät. Nicht nur die Hersteller dieses lebensmittelchemischen Gebräus wollen uns weismachen, dass es intelligente Lösungen für unsere Figurprobleme gäbe. Jede Zeit hat ihre eigenen Menschenbilder. Um dem unserem zu entsprechen, lassen wir uns Botox spritzen, Busen- und Haarimplantate einsetzen, Fettrollen wegsaugen oder Hautpartien straffen. Wir rackern uns im Fitness-Studio und an den Hanteln ab. Wir sparen Fette oder Kohlenhydrate ein, um unserer kalorischen Gewichtheberei etwas entgegen zu setzen. Da nimmt es sich wie ein Witz aus, wenn man in alten Zeitungsanzeigen aus den 1920ern von „Eta-Tragol-Bonbons“ liest, durch die zu dünne Frauen zunehmen sollten. Hagere, schlanke und magere Frauen waren damals nicht in Mode. Im Gegenteil. Rubens wäre vielleicht niemals Kunstmaler geworden, wenn er Magermodelle hätte malen sollen. Natürlich sind das einfach auch unterschiedliche Präferenzen aus unterschiedlichen Zeitperioden der Menschheit. Weder die Magermodels von heute, noch die eher voluminösen Damen vergangener Jahre dürften groß nachahmenswert sein. Wie so oft hört sich der Mittelweg wie eine gute Alternative an.

Ja, was denn nun???

Was die Welt aus Sicht der Diätbeflissenen bräuchte, wäre so etwas wie die Eta-Tragol-Bonbons – nur zum Abnehmen. Einfach lutschen, genießen und die Kilos schmelzen von alleine dahin. Wow! Man fragt sich als kritischer Mensch schon länger, ob so manche Diät nicht komplett überflüssig ist. Ob viele Diät-Pulver und Wundermittel nicht nur der Augenwischerei und Verdienstmaximierung dienen? Das war natürlich eine rhetorische Frage, denn nirgendwo gibt es wohl so viele Quacksalber, Lügenbarone und Humbug-Konzepte wie in der Szene der Diätwilligen. Sogar nachvollziehbare Diätmodelle werden erst in den Himmel gehoben und anschließend ad absurdum geführt. Beispiel Paleo: Was an sich wie ein vernünftiges Ernährungskonzept erscheint, wird von Vielen aufgeschnappt und dann ad absurdum geführt. Nur weil Paleo Fleisch und Eier jetzt doch wieder gut heißt, ist das kein Freifahrtschein, sich nun mit Fleisch und Eiern randvoll zu fressen! Die Verwirrung in Sachen Ernährung dürfte derzeit bei vielen Menschen groß sein:

  • Sollen wir nun Kohlenhydrate oder Fett reduzieren?
  • Ist Fett jetzt auf einmal doch nicht mehr schlecht, genauso wie Eier?
  • Soll man Obst essen, oder macht es eher dick?
  • Machen Mono-Diäten wie eine Kohlsuppen-Diät mehr Sinn, wenn man dauerhaft abnehmen will, oder doch eher etwas neues, so wie Paleo?
  • Und was ist mit den neuen Ernährungsprogrammen, die zu jeder Zeit den Markt überschwemmen?

Welchen Preis zahlen wir für den Wunsch nach einer guten Figur??

Wie viele Diäten sollen denn noch unser Leben begleiten, nur um erneut einen Jojo-Effekt zu erzeugen? Die Frage nach dem Preis für unseren Diätwahn geht wohl an jeden Übergewichtigen, unabhängig von Geschlecht und Alter. Unsere Ernährung dient nicht nur dazu, im Bikini oder Minislip eine schöne Figur zu machen. Wir dienen damit vor allem unserem komplexen Organismus, damit er uns ein paar Jahre länger das Verweilen auf Erden ermöglichen kann. Wer sich mit dem Thema Ernährung beschäftigt und ein wenig ‘herum experimentiert’ weiß, dass es aber nicht nur die potentiellen Jahre sind, die wir mit gesunder Ernährung leben können. Nein, es ist auch die Tatsache, dass Ernährung ebenso einen direkten Einfluss hat auf unser gesamtes Wohlbefinden, und zwar hier und jetzt, und nicht erst in 30 oder 40 Jahren. Während das Argument des längeren Lebens zwar kein falsches ist, so ist es doch Vielen viel zu weit in der Ferne, als dass sie sich darum kümmern würden. Schließlich sind wir alle (oder die meisten von uns) ein großes Stück weit Hedonisten, und wir wollen im Hier und Jetzt unseren Spaß haben. Ernährung kann aber genau auch hier einen wichtigen Beitrag leisten, denn die falsche Ernährung sorgt oftmals praktisch unmittelbar für Unwohlsein, krankhaften Zuständen, Ausschlag, Pickel, Magenbeschwerden,…

Es ist ein paar Gedanken wert, ob wir uns dauerhaft einer gesunden Ernährung verpflichten, oder lieber das pervertierte Spiel mit den absurdesten Diätkonzepten weiter spielen möchten. Es gibt bei diesem Thema keine allgemein gültigen Antworten, auch wenn es wohl Ernährungsansätze gibt, die definitiv mehr Sinn machen, oder zu machen scheinen, als andere. Großen Zuspruch erhält hier vermehrt die „Low Carb und High Fat“ – Ernährung. Bevor man sich aber so einem Ernährungskonzept bedienungslos ‘unterwirft’, sollte man vielleicht ein wenig Recherche betreiben bezüglich 2-3 guter Fachbücher, um das Gesamtkonzept besser zu verstehen. Wie oben schon erwähnt, macht es keinen Sinn, dann an 7 Tagen in der Woche Fleisch, Eier & Co en masse zu konsumieren, weil diese Lebensmittel jetzt ja wieder auf die Liste der erlaubten und guten Nahrungsmittel gerückt sind. Das Thema Qualität der verzehrten Lebensmittel spielt hier eine entscheidende Rolle, und dann sicherlich auch die Quantität. Dies erfordert also letztlich ein generelles Umdenken unsererseits zum Thema Essen bzw. Ernährung. Warum können wir nicht etwas weniger Geld für Zuckerbomben ausgeben und stattdessen das eingesparte Geld für etwas mehr Qualität unsers Fleisches aufwenden, also z.B. Fleisch aus nachweislich artgerechter Haltung, ohne Medikamente und aus Weidehaltung statt mit Industriefrass gemästet? Wieso darf unser Essen nicht mehr kosten, als die Packung Kaffee oder Kippen? Wann begreifen wir endlich, dass Essen keine reine Triebbefriedigung ist, sondern der Motor unseres Wohlseins?

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Bildrechte:
The Cholic: Geaorge Cruikshank (1819), gemeinfreie Datei, siehe Wikipedia
Eta Tragol Bonbons: By ETA-Chemisch-Technische-Fabrik, Berlin-Pankow 117, Borkumstr. 2.EvK at de.wikipedia [Public domain], from Wikimedia Commons