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Die Zuckerverschwörung

Ian Leslie: Sugar Conspiracy | Kohlenhydrate Tabelle

Wie konnte es eigentlich kommen, dass wir 40 Jahre das Märchen von der fettarmen Ernährung ‚aufgetischt‘ bekommen haben, wenn doch so ziemlich alles dagegen spricht? Falls Du Dich das auch fragst, dann ist dieser Beitrag auf jeden Fall etwas für Dich. Hier geht es um persönliche Schicksale und persönliche Interessen – wie im wahren Leben. Hol‘ Dir einen Kaffe/Tee, mach es Dir gemütlich, und lasse Dich in den Bann dieses ‚Krimis‘ der Ernährungswissenschaft ziehen.

Wichtige Information vorab:

  • Der nachfolgende Beitrag ist ursprünglich am 7. April 2016 in der online Ausgabe des englischen The Guardian in der Rubrik ‚The Long Read‘ erschienen (also ausführliche Beiträge zu einem bestimmten Thema). Der Titel lautet The Sugar Conspiracy (also Die Zuckerverschwörung), Author ist Ian Leslie. Weil mir dieser Beitrag sehr gut gefiel und mir einige Erklärungen zur Frage eingangs geliefert hat, setzte ich mich mit dem Guardian in Verbindung, um mir die Genehmigung für die Übersetzung des Beitrags und der Veröffentlichung hier eingeholt (natürlich musste ich mich das ein paar englische Pfund kosten lassen…). Die Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche habe ich selber vorgenommen. Ich bin kein professioneller Übersetzer, auch wenn ich denke, dass die Übersetzung nicht die schlechteste geworden ist. Allerdings färbt es sprachlich sicherlich ab, wenn man wie ich seit 10 Jahren nicht mehr in Deutschland lebt. Falls Du des Englischen gut mächtig bist, dann kannst Du den englischen Originalartikel hier lesen.
  • Der Beitrag beinhaltet natürlich auch englische Namen z.B. von US Institutionen sowie von englischsprachigen Büchern der einen oder anderen im Beitrag erwähnten Person. Diese habe ich manchmal ins Deutsche übersetzt. Das ist dann durch eine eckige Klammer [] und durch den Zusatz „Anmerk. des Übersetzers“ gekennzeichnet.
  • Am Ende des Beitrags habe ich auf die Bücher verlinkt, die im Beitrag genannt werden, falls jemand das eine oder andere davon erwerben will. Wo vorhanden habe ich auf die deutsche Übersetzung verlinkt. Diese Links führen zu Amazon.
  • Links im Text habe ich so behalten, wie sie im englischen Original verlinkt waren.

 

Beginn der Übersetzung von The Sugar Conspiracy

(Originalauthor: Ian Leslie)



Im Jahr 1972 schlug ein britischer Wissenschaftler Alarm, dass Zucker die größte Gefahr für unsere Gesundheit sei, nicht Fett. Aber seine Erkenntnisse wurden verspottet und sein Ruf ruiniert. Wie konnten die weltweit besten Ernährungswissenschaftler so lange so falsch liegen?

Robert Lustig ist ein pädiatrischer Endokriniloge an der University of California, der sich auf die Behandlung von Fettleibigkeit bei Kindern spezialisiert. Ein 90 minütiger Vortrag mit dem Titel Sugar: The Bitter Truth [Zucker: die bittere Wahrheit; Anmerk. des Übersetzers], den er im Jahr 2009 gab, wurde bisher über 6 Millionen Mal auf YouTube angeschaut. Darin argumentiert Lustig eindringlich, dass Fruktose, eine Form von Zucker die in der modernen Ernährung allgegenwärtig ist, ein „Gift” sei, das schuld sei an Amerikas Epidemie der Fettleibigkeit.

Ungefähr ein Jahr bevor das Video entstand hielt Lustig einen ähnlichen Vortrag auf einer Konferenz für Biochemie in Adelaide, Australien. Im Anschluss daran kam ein Wissenschaftler aus dem Publikum auf ihn zu. “Sicherlich haben Sie Yudkin gelesen”, sagte er. Lustig schüttelte den Kopf. John Yudkin, besagter Wissenschaftler, war ein britischer Professor für Ernährung, der im Jahr 1972 Alarm wegen Zucker schlug, und zwar in einem Buch mit dem Titel Pure, White, and Deadly [Pur, Weiß, Tödlich; Anmerk. des Übersetzers].

“Wenn nur ein kleiner Bruchteil dessen enthüllt würde, was in Relation zu allen anderen als Lebensmittelersatz genutzten Stoffen bereits über die Wirkungen des Zuckers bekannt ist, würde er umgehend verboten werden”, schrieb Yudkin. Das Buch war erfolgreich, aber Yudkin zahlte einen hohen Preis dafür. Führende Wissenschaftler vereinten sich mit der Lebensmittelindustrie, um seinen Ruf zu zerstören. Seine Karriere erholte sich davon nie mehr. Im Jahr 1995 starb er schließlich als enttäuschter und größtenteils vergessener Mann.

Vielleicht hatte der australische Wissenschaftler eine freundliche Warnung im Sinn. Lustig setzte sicherlich seinen akademischen Ruf aufs Spiel, als er sich zu einer groß angelegten Kampagne gegen den Zucker aufmachte. Aber im Gegensatz zu Yudkin stehen die Vorzeichen für Lustig günstiger. Wir lesen fast jede Woche von neuen Studien über die schädlichen Auswirkungen von Zucker auf unseren Körper. In den USA enthält die letzte Ausgabe der offiziellen Ernährungsrichtlinien der Regierung eine Obergrenze für den Zuckerkonsum. In England hat Schatzkanzler George Osborne eine neue Steuer auf zuckerhaltige Getränke angekündigt. Zucker ist zum Ernährungsfeind Nummer 1 avanciert.

Das ist eine drastische Verlagerung der Prioritäten. Mindestens die letzten drei Jahrzehnte waren die gesättigten Fettsäuren der Erzfeind in der Ernährung. Als Yudkin in den 1960ern seine Untersuchungen zu den Auswirkungen von Zucker durchführte, etablierte sich gerade eine neue Ernährungslehre. Ihr zentraler Grundsatz lautete, dass eine gesunde Ernährung eine mit wenig Fett sei. Yudkin führte eine abnehmende Zahl an Andersdenkern an die glaubten, dass Zucker und nicht Fett der wahrscheinlichere Grund sei für Leiden wie Fettleibigkeit, Herzkrankheiten und Diabetes. Zur der Zeit, als er sein Buch schrieb, waren die großen Namen in diesem Feld schon von den Unterstützern der Fetthypothese erfasst. Yudkin befand sich in einem Rückzugsgefecht, und er wurde geschlagen.

Genau genommen wurde er nicht nur geschlagen, sondern begraben. Als Lustig nach Kalifornien zurückkehrte, suchte er nach Pur, Weiß, Tödlich in Buchläden und online, ohne Erfolg. Letztendlich konnte er eine Kopie ausfindig machen, nachdem er an seiner Universitätsbibliothek eine Suchanfrage stellte. Während er Yudkins Einleitung las, fühlte er einen Schock der Erkenntnis.

“Ach Du grüne Neune,” dachte sich Lustig, “dieser Kerl war schon 35 Jahre vor mir an dem Punkt”.


Nach langen Beratungen mit einigen von Amerikas führenden Ernährungswissenschaftlern brachte die US-Regierung im Jahr 1980 ihre ersten Ernährungsrichtlinien heraus. Diese Richtlinie formte die Ernährung von hunderten Millionen von Menschen. Ärzte stützen ihren Ratschlag darauf, Lebensmittelfirmen entwickeln Produkte um mit ihm im Einklang zu stehen. Sein Einfluss geht weit über die USA hinaus. Im Jahr 1983 gab die britische Regierung eine Mitteilung heraus, die sich nahe an das amerikanische Modell hielt.

Die auffälligste Empfehlung beider Regierungen war, die gesättigten Fette und das Cholesterin zu reduzieren (es war das erste Mal, dass die Öffentlichkeit angehalten wurde, weniger von etwas zu essen anstatt genug von allem). Die Verbraucher gehorchten folgsam. Wir ersetzten Steak und Würste mit Pasta und Reis, Butter mit Margarine und Pflanzenölen, Eier mit Müsli, und Milch mit fettarmer Milch oder Orangensaft. Aber anstatt gesünder zu werden, wurden wir dicker und kränker.

Schau Dir ein Diagramm der Fettleibigkeitsraten der Nachkriegszeit an und es wird klar, dass nach 1980 etwas anders ist. In den USA steigt die Linie nach und nach an, bis sie in den frühen 1980ern wie ein Flugzeug nach oben geht. Nur 12% der Amerikaner waren im Jahr 1950 fettleibig, in 1980 waren es 15%, und ab 2000 dann 35%. In Großbritannien ist die Linie über Jahrzehnte hinweg bis in die Mitte der 1980er flach, bis sie ab dann ebenfalls Richtung Himmel geht. Nur 6% der Briten waren in 1980 fettleibig. In den folgenden 20 Jahren stieg diese Zahl um mehr als das Dreifache. Heute sind zwei Drittel der Briten entweder fettleibig oder übergewichtig, was es zum übergewichtigsten Land in der EU macht. Diabetes vom Typ 2, stark verknüpft mit Fettleibigkeit, ist in beiden Ländern im Gleichschritt mit angestiegen.

Im besten Fall können wir schlussfolgern, dass die offiziellen Ratschläge ihr Ziel nicht erreicht haben; im schlimmsten Fall, dass sie zu einer jahrzehntelangen Gesundheitskatastrophe geführt haben. Natürlich erfolgte dann die Suche nach dem Übeltäter. Wissenschaftler sind normalerweise keine politische Figuren, aber dieser Tage schreiben Ernährungsforscher Leitartikel und Bücher, die den Traktaten liberaler Aktivisten ähneln und von selbstgerechten Verurteilungen der ‘großen Zuckerfirmen’ und Fast Food sprudeln. Niemand hätte voraussehen können, heißt es, wie die Lebensmittelhersteller auf die Anordnung gegen Fett reagieren würden, indem sie uns fettarme Joghurts voll mit Zucker, sowie Kuchen voll mit Leber zersetzenden Transfetten verkaufen würden.

Ernährungswissenschaftler ärgern sich über die Presse, weil diese ihre Ergebnisse verzerre, über die Politiker, weil sie ihnen keine Beachtung schenken, und über uns, weil wir zu viel essen und zu wenig Sport machen. Kurz gesagt ist jeder schuld: der Handel, die Medien, die Politiker, die Verbraucher. Jeder, ausser den Wissenschaftlern.

Aber es war nicht unmöglich vorherzusehen, dass die Verunglimpfung des Fetts ein Fehler sein könnte. Energie durch Lebensmittel erhalten wir in drei Formen: Fett, Kohlenhydrate und Proteine. Weil der Anteil an Energie den wir über Proteine bekommen dazu neigt gleich zu bleiben, egal um welche Art der Ernährung es geht, bedeutet eine fettarme Ernährung effektiv eine kohlenhydratreiche Ernährung. Das vielseitigste und schmackhafteste Kohlenhydrat ist Zucker; John Yudkin hatte es schon rot eingekreist. Im Jahr 1974 warnte die britische Medizinfachzeitschrift The Lancet über mögliche Konsequenzen des Vorschlags, das Fett in der Ernährung zu reduzieren: “Das Heilmittel sollte nicht schlimmer sein als die Krankheit.”

Wie dem auch sei: Es scheint vernünftig anzunehmen, dass Yudkin diese Auseinandersetzung verlor, weil bis zum Jahr 1980 mehr Beweise zusammengetragen wurden gegen Fett als gegen Zucker.

Denn schließlich funktioniert Wissenschaft doch auf diese Weise. Oder?


 

Wenn, wie es zunehmend wahrscheinlich scheint, der Ernährungsratschlag, auf den wir uns 40 Jahre verlassen haben, zutiefst fehlerhaft war, dann ist das kein Fehler, den wir den Firmenungeheuern anlasten können. Auch kann es nicht als harmloser wissenschaftlicher Fehler abgetan werden. Was Yudkin widerfahren ist, widerspricht dieser Interpretation. Man könnte stattdessen annehmen, dass dies etwas ist, das die Wissenschaftlicher sich selbst angetan haben – und letztlich uns.

Wir tendieren dazu, über Häretiker als Nonkonformisten zu denken, also Individuen mit einem Zwang, das konventionelle Wissen zu missachten. Aber manchmal ist ein Häretiker einfach ein Mainstream-Denker, der beharrlich das gleiche denkt, während alle anderen um ihn herum eine komplette Wende in die andere Richtung vollziehen. In 1957, als John Yudkin zum ersten Mal seine Hypothese vorbrachte, dass Zucker eine Gefährdung für die öffentliche Gesundheit sei, wurde er genau so ernst genommen wie sein Befürworter. Als Yudkin 14 Jahre später in den Ruhestand ging, waren sowohl die Theorie als auch ihr Autor an den Rand gedrängt und verspottet. Erst jetzt, nach seinem Tod, bringt man Yudkins Arbeit wieder zum wissenschaftlichen Mainstream zurück.

Diese deutlichen Fluktuationen in Yudkins ‘Aktien’ haben wenig mit der wissenschaftlichen Methode zu tun, als vielmehr mit der unwissenschaftlichen Art die das Feld der Ernährung über die Jahre an den Tag gelegt hat. Auf diese Geschichte, die im letzten Jahrzehnt hervorzutreten begann, wiesen die Öffentlichkeit hauptsächlich skeptische Aussenseiter hin, nicht die bedeutenden Ernährungswissenschaftler. In ihrem sorgfältig recherchierten Buch The Big Fat Surprise [Die große, fette Überraschung; Anmerk. des Übersetzers] verfolgt die Journalistin Nina Teicholz die Geschichte der Behauptung zurück, gesättigte Fette würden Herzkrankheiten verursachen. Dabei deckt sie auch das bemerkenswerte Ausmaß auf bezüglich des Verlaufs dieser Behauptung von einer kontroversen Theorie hin zu einer akzeptierten Wahrheit – angetrieben nicht jedoch durch neue Beweise, sondern durch den Einfluss ein paar weniger mächtiger Persönlichkeiten, einer ganz speziell.

Das Buch von Teicholz beschreibt ausserdem, wie eine Institution von erfahrenen Ernährungswissenschaftlern, plötzlich bezüglich ihrer medizinischen Autorität verunsichert und auf der Hut vor Bedrohungen, konsistent das Argument der fettarmen Ernährung aufbauschen, während sie gleichzeitig ihre Geschütze auf die richten, die Beweise oder Argumente für das Gegenteil vorbringen. John Yudkin war lediglich das erste und namhafteste Opfer dieser Institution.

Während Ernährungsexperten heute damit kämpfen, ein gesundheitliches Desaster zu begreifen, das sie nicht vorhergesehen hatten aber das sie vielleicht gestützt haben, erlebt das Feld eine schmerzhafte Periode der Neuevaluierung. Es schwächt Verbote gegen Cholesterin und Fett ab und verhärtet die Warnungen gegenüber Zucker, ohne so weit zu gehen, eine komplette Kehrtwende durchzuführen. Aber seine dienstältesten Mitglieder behalten nach wie vor einen kollektiven Instinkt bei, diejenigen zu verleugnen, die sein angeschlagenes Allgemeinwissen zu laut anprangern, wie Teicholz nun erfahren muss.


 

Um zu verstehen, wie wir an dem Punkt angelangten, müssen wir fast bis zu den Anfängen der modernen Ernährungswissenschaft gehen.

Am 23. September 1955 erlitt der US Präsident Dwight Eisenhower eine Herzattacke. Anstatt diese unter den Teppich zu kehren beharrte Eisenhower darauf, die Details seiner Krankheit mit der Öffentlichkeit zu teilen. Am nächsten Tag gab sein Leibarzt, Dr. Paul Dudley White, eine Pressekonferenz, auf der er die Amerikaner belehrte, wie sie Herzkrankheiten vermeiden könnten: mit dem Rauchen aufhören und sowohl Fett als auch Cholesterin kürzen. In einem nachfolgenden Artikel zitierte White die Ergebnisse eines Ernährungswissenschaftlers der University of Minnesota, Ancel Keys.

Herzerkrankungen, die bis in die 1920er eher selten waren, rafften nun Männer in mittlerem Alter in einer erschreckenden Rate dahin, und die Amerikaner machten sich auf die Suche nach dem Grund und einem Heilmittel dafür. Ancel Keys hatte eine Antwort parat: die “Ernährung-Herz Hypothese” (aus Gründen der Einfachheit nenne ich sie die “Fetthypothese”). Wie heute landläufig bekannt, ist das die Vorstellung, dass ein Übermaß an gesättigten Fetten in der Ernährung, also von rotem Fleisch, Käse, Butter und Eiern das Cholesterin erhöht. Dies wiederum verhärtet sich in den Koronararterien und führt dazu, dass sie verhärten und sich verengen, bis der Blutstrom gehemmt wird und das Herz zum Erliegen kommt.

Ancel Keys war brilliant, charismatisch und kämpferisch. Ein freundlicher Kollege an der University of Minnesota beschrieb ihn als “direkt bis an den Rand der Unverblümtheit, kritisch bis an den Rand des Aufspießens”; andere waren weniger freundlich. Er verströmte Überzeugung zu einer Zeit als Sicherheit sehr willkommen war. Der Präsident, der Arzt und der Wissenschaftler formten eine beruhigende Kette männlicher Autorität, und die Anschauung, dass fettige Lebensmittel ungesund seien, begann bei Ärzten, und auch der Öffentlichkeit, haften zu bleiben. (Eisenhower selber verbannte gesättigte Fette und Cholesterin komplett aus seiner Ernährung, bis zu seinem Tod im Jahr 1969, aufgrund einer Herzkrankheit.)

Viele Wissenschaftler, vor allem britische, blieben skeptisch. Der bekannteste Zweifler war John Yudkin, damals Großbritanniens führender Ernährungsexperte. Als sich Yudkin die Daten bezüglich Herzkrankheiten ansah, fiel ihm der Zusammenhang mit Zuckerkonsum auf, nicht Fett. Er vollzog eine Serie von Laborexperimenten an Tieren und Menschen und beobachtete, wie andere schon vor ihm, dass Zucker in der Leber verarbeitet wird, wo es zu Fett wird, bevor es in den Blutkreislauf gelangt.

Er vermerkte ebenfalls, dass, obwohl Menschen schon immer Fleischfresser waren, Kohlenhydrate erst vor 10.000 Jahren zu einem großen Anteil in der Ernährung wurden, also mit dem Einzug der flächendeckenden Landwirtschaft. Zucker, ein pures Kohlenhydrat dem man alle Fasern und Nährstoffe entzogen hat, ist erst seit 300 Jahren ein Teil der westlichen Ernährung. Bezogen auf die gesamte Menschheitsgeschichte ist das so, als ob wir gerade vor einer Sekunde zum ersten Mal unsere erste Dosis davon eingenommen hätten. Im Gegensatz dazu sind gesättigte Fette so mit unserer Menschheitsgeschichte verbunden, dass sie reichlich in der Muttermilch vorhanden sind. Gemäß Yudkins Denke schien es wahrscheinlicher, dass uns die neue Innovation krank macht, als die prähistorischen Aspekte.

John Yudkin wurde 1910 im East End von London geboren. Seine Eltern waren russische Juden die sich in England niederließen, nachdem sie 1905 vor den Pogromen flohen. Sein Vater starb als Yudkin sechs Jahre alt war, und seine Mutter zog ihre fünf Söhne in Armut groß. Über ein Stipendium am lokalen Gymnasium in Hackney schaffte es Yudkin nach Cambridge. Er studierte Biochemie und Physiologie, bevor er sich der Medizin widmete. Nachdem er während des 2. Weltkriegs im Medizincorps der Royal Army gedient hatte, wurde Yudkin am Queen Elisabeth College in London zum Professor berufen. Dort errichtete er eine Abteilung für Ernährungswissenschaft, die zu internationaler Anerkennung gelangte.

Ancel Keys war sich sehr wohl bewusst, dass Yudkins Zuckerhypothese eine Alternative zu seiner eigenen bot. Sobald Yudkin eine Arbeit vorlegte, zerriss Keys sie und Yudkin. Er nannte Yudkins Theorie einen “Haufen Blödsinn” und beschuldigte ihn, “Propaganda” für die Fleisch- und Milchindustrie zu betreiben. “Yudkin und seine finanziellen Unterstützer lassen sich von den Fakten nicht hindern”, sagte er. “Sie stoßen weiter ins selbe, diskreditierte Horn”. Yudkin antwortete nie auf gleiche Weise. Er war ein sanfter Mann, ungeschult in der politischen Kriegsführung.

Das machte ihn für Angriffe verwundbar, und zwar nicht nur von Keys. Das British Sugar Bureau tat Yudkins Behauptungen über Zucker als “emotionale Annahmen” ab, die World Sugar Research Organisation nannte sein Buch “Science Fiction”. In seinem Schreibstil ist Yudkin sehr genau und zurückhaltend, wie er eben auch als Person war. Nur manchmal gibt er einen kleinen Einblick, wie es sich angefühlt haben muss, sein Lebenswerk durch den Dreck gezogen zu sehen, z.B. wenn er den Leser fragt: “Ist es ein Wunder, dass einer manchmal verzagen könnte ob es die Zeit wert ist, wissenschaftliche Nachforschungen in Sachen der Gesundheit zu betreiben?”.

Während der 1960er wurde Keys auf institutioneller Ebene ziemlich mächtig. Er sicherte sich und seinen Verbündeten Sitze in den Vorständen der einflussreichsten Gremien des amerikanischen Gesundheitswesens, einschließlich der American Heart Association und den National Institutes of Health. Von diesen Festungen aus dirigierten sie Geldmittel in Richtung gleichgesinnter Wissenschaftler und gaben maßgebliche Ratschläge an die Nation heraus. “Die Leute sollten die Fakten kennen”, sagte Keys dem Time Magazin. “Und wenn sie sich dann zu Tode essen wollen, dann sollen sie das tun”.

Diese offenkundige Sicherheit war unbegründet: Sogar ein paar der Unterstützer der Fetthypothese gaben zu, dass die Beweislage dafür noch unvollständig sei. Aber Keys hielt eine Trumpfkarte in der Hand. Von 1958 bis 1964 sammelten er und seine Wissenschaftskollegen Daten über die Ernährung, den Lebensstil und die Gesundheit von 12.770 Männern im mittleren Alter in Italien, Griechenland, Jugoslawien, Finnland, den Niederlanden, Japan und den USA. Diese Sieben Länder Studie wurde letztlich im Jahr 1970 als 211 Seiten starke Einzelschrift veröffentlicht. Genauso wie Keys vorhergesagt hatte, zeigte diese eine Verbindung zwischen der Einnahme von gesättigten Fetten und dem Tod durch Herzerkrankung. Die wissenschaftliche Debatte wandte sich ganz entscheidend der Fetthypothese zu.

Keys war sozusagen der erste Big Data – Typ (ein Zeitgenosse merkte an: “Jedes Mal, wenn Du diesen Keys in Frage stellst, sagt er ‘Ich habe 5000 Fälle. Wie viele hast Du?’ ”). Die Sieben Länder Studie, die die Basis für eine Reihe von nachfolgenden Veröffentlichungen ihrer ursprünglichen Autoren darstellte, war trotz ihres monumentalen Status dennoch ein wackeliges Konstrukt. Es gab keine objektive Basis für die von Keys ausgewählten Länder, und es ist schwer, die Schlussfolgerung zu vermeiden, dass er nur die ausgewählt hat, von denen er annahm, dass sie seine Hypothese stützen würden. Denn es ist schon interessant, sieben Nationen Europas auszuwählen und Frankreich und das damalige West-Deutschland auszuschließen; aber freilich wusste Keys schon, dass Frankreich und Deutschland vergleichsweise niedrige Raten von Herzerkrankungen hatten, und das obwohl man dort einer Ernährung folgte, die reich an gesättigten Fetten war.

Die größte Einschränkung der Studie wohnte in ihrer Methode inne. Epidemiologische Forschung beinhaltet die Sammlung von Daten zum Verhalten und zur Gesundheit der Menschen, sowie die Suche nach Mustern. Obwohl sie für Studien von Infektionen entwickelt wirde, passten Keys und seine Nachfolger diese an das Studium chronischer Krankheiten an. Im Gegensatz zu Infektionen benötigen chronische Krankheiten aber Jahrzehnte, um sich zu entwickeln und sind mit hunderten von Faktoren rund um Ernährung und Lebensstil verbunden, die man effektiv unmöglich trennen kann.

Um Ursachen statt Zusammenhänge zu identifizieren ist ein höherer Beweisstandard notwendig: die kontrollierte Studie. In seiner einfachsten Form: rekrutiere eine Gruppe von Individuen und schreibe der Hälfte von ihnen eine bestimmte Ernährungsweise für, sagen wir 15 Jahre, vor. Bewerte am Ende der Studie die Gesundheit der Interventionsgruppe mit der der Kontrollgruppe. Diese Methode ist ebenso problematisch: Es ist praktisch unmöglich, die Ernährung großer Menschengruppen streng zu beobachten. Aber eine korrekt durchgeführte Studie ist der einzige Weg, um mit einigermaßen Zuversicht sagen zu können, dass X verantwortlich für Y ist.

Obwohl Keys einen Zusammenhang zwischen Herzkrankheiten und gesättigten Fetten gezeigt hatte, hatte er die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass Herzerkrankungen auch durch etwas anderes ausgelöst werden können. Jahre später ging der italienische Forscher Alessandro Menotti, der die Sieben Länder Studie damals leitete, noch einmal durch die Daten und fand heraus, dass das Lebensmittel, das den größten Zusammenhang mit dem Tod durch Herzerkrankung nicht gesättigte Fette waren, sondern Zucker.

Zum dem Zeitpunkt war es zu spät. Die Sieben Länder Studie war schon eine Institution geworden und die Fetthypothese wurde als offizieller Rat praktisch unumstößlich. Das für die Ernährungsrichtlinien zuständige Kongresskommitee wurde von Senator George McGovern geleitet. Das Komitee erhielt all seine Beweise von Amerikas Ernährungselite: Männer von einer Hand voll renommierter Universitäten, von denen sich die meisten kannten oder miteinander gearbeitet hatten und die alle darin übereinstimmten, dass Fett das Problem sei – eine Annahme, die McGovern und seine Senatoren-Kollegen nie ernsthaft in Frage stellten. Nur hin und wieder wurden sie gefragt, es zu überdenken. In 1973 wurde John Yudkin von London gerufen, um vor dem Komitee auszusagen, und er präsentierte seine alternative Theorie für Herzerkrankungen.

Ein amüsierter McGovern fragte Yudkin, ob er wirklich vorschlage, dass ein hoher Fettkonsum nicht das Problem sei und dass Cholesterin keine Gefahr darstelle.

“Ich glaube beides”, antwortete Yudkin.

“Das ist genau das Gegenteil von dem was mir mein Doktor empfiehlt”, sagte McGovern.


In 2015 suchte ein Team von Wissenschaftlern des National Bureau of Economic Research in einer Arbeit mit dem Titel Does Science Advance One Funeral at a Time? [Schreitet die Wissenschaft nur mit jeder Beerdigung voran?; Anmerk. des Übersetzers] nach einer empirischen Basis für einen Kommentar des Physikers Max Planck: „Eine neue wissenschaftliche Wahrheit triumphiert nicht, indem sie ihre Gegner überzeugt und diese das Licht sehen lässt, sondern eher weil seine Gegner letztlich sterben und eine neue Generation wächst heran, die damit vertraut ist.“

Die Wissenschaftler machten mehr als 12.000 „Elite“-Wissenschaftler in verschiedenen Disziplinen aus. Die Kriterien für den Elitestatus beinhalteten Finanzierung, Anzahl der Veröffentlichungen und ob sie Mitglied der National Academie of Sciences oder des Institute of Medicine waren. Indem sie die Todesanzeigen durchgingen, fand das Team 452, die vor ihrer Pensionierung starben. Anschließend wollten sie herausfinden, was mit den Disziplinen geschah, von denen diese gefeierten Wissenschaftler unerwartet verschieden waren, indem sie Veröffentlichungsmuster analysierten.

Was sie herausfanden bestätigte Plancks Maxime. Junge Wissenschaftler, die eng mit den Elitewissenschaftlern gearbeitet und mit ihnen wissenschaftliche Abhandlungen geschrieben hatten, veröffentlichten weniger. Gleichzeitig gab es in der jeweiligen Disziplin einen deutlichen Anstieg an Veröffentlichungen von Neuankömmlingen, die weniger wahrscheinlich die Arbeiten der verschiedenen Eminenzen zitierten. Die Arbeiten dieser Neuankömmlinge waren überzeugend und einflussreich, und sie wurden sehr oft von anderen zitiert. Die gesamte Disziplin bewegte sich mit ihnen mit.

Ein Wissenschaftler ist was der polnische Wissenschaftsphilosoph Ludwik Fleck ein „Gedankenkollektiv“ nennt: eine Gruppe von Leuten, die in einer gegenseitig verständlichen Sprache Gedanken austauschen. Fleck behauptete, dass die Gruppe unausweichlich ein eigenes Gehirn entwickle, weil sich die Individuen darin in ihrer Kommunikation, Ihrem Denken und Fühlen annähern.

Das macht die Wissenschaft anfällig für die ewigen Regeln des menschlichen Soziallebens: Respekt vor dem Charismatischen, Akzeptanz der Mehrheitsmeinung, Bestrafung für Abweichen und ein starkes Unwohlsein beim Zugeben von Fehlern. Natürlich waren solche Tendenzen genau der Grund, warum die wissenschaftliche Methode entwickelt wurde, nämlich diese Tendenzen zu korrigieren; und auf lange Sicht gesehen funktioniert das auch ganz gut. Auf lange Sicht sind wir aber alle tot – ziemlich wahrscheinlich schneller als das geschehen wäre, wären wir nicht Ernährung gefolgt, die auf schlechtem Rat basiert.


 

In einer Reihe von heftig diskutierten wissenschaftlichen Beiträgen und Büchern, inklusive Why We Get Fat (2010) [Warum wir fett werden, Anmerk. des Übersetzers], sammelte der Wissenschaftsautor Gary Taubes eine Rezension der modernen Ernährungswissenschaft, die mächtig genug war, um den Bereich aufhorchen zu lassen. Ein Teilbeitrag davon war, dass er eine Sammlung an Untersuchungen von deutschen und österreichischen Wissenschaftlern vor dem 2. Weltkrieg entdeckte – übersehen von den Amerikanern, die in den 1950ern diesen Bereich neu erfanden. Die Europäer waren praktizierende Ärzte und Experten im metabolischen System. Die Amerikaner waren eher Epidemiologen mit relativ wenig Ahnung von Biochemie und Endokrinologie (das Studium der Hormone). Das führte zu einigen der fundamentalen Missverständnissen in der modernen Ernährung.

Der Anstieg und der langsame Rückzug des schlechten Rufs von Cholesterin ist ein Paradebeispiel. Nachdem man es in den Arterien von Menschen ausmachte, die eine Herzattacke erlitten hatten, setzten öffentliche Gesundheitsberater – selber von schlechten Wissenschaftlern beraten – Eier auf die Gefahrenliste, weil das Eigelb Cholesterin enthält. Aber es ist ein biologischer Fehler, wenn man das was man in seinen Mund steckt mit dem verwechselt, was es nach dem Schlucken wird. Der menschliche Körper ist alles andere als ein passives Frachtschiff für alles womit wir es füllen, sondern eine betriebsame chemische Fabrik, die die erhaltene Energie umwandelt und verteilt. Das bestimmende Prinzip ist die Homöostase, oder der Erhalt des Energiegleichgewichts (wenn Sport uns erhitzt, kühlt uns Schweiss ab). Cholesterin, das in all unseren Zellen vorhanden ist, wird in der Leber erzeugt. Biochemiker wissen schon lange, dass die Leber weniger Cholesterin produzieren muss, je mehr man davon isst.

Es überrascht also nicht, dass wiederholte Versuche scheiterten, eine Beziehung zwischen Cholesterin in Lebensmitteln und Cholesterin im Blut herzustellen. Für die meisten Leute bedeutet der Verzehr von zwei oder drei oder 25 Eiern am Tag keinen nennenswerten Anstieg im Cholesterinspiegel. Eines der vielseitigsten, leckersten und nährstoffreichsten Lebensmittel die wir haben wurde grundlos stigmatisiert. Die Gesundheitsbehörden haben die letzten Jahre damit verbracht, sich langsam von diesem Missverständnis zu entfernen, vermutlich in der Hoffnung, dass es keiner merkt, wenn man keine schnellen Aktionen macht. In gewisser Weise waren sie erfolgreich: Eine Studie von Credit Suisse im Jahr 2014 fand heraus, dass 54% der US Ärzte meinen, dass das Cholesterin in der Ernährung das Cholesterin im Blut erhöhe.

Man muss ihm zu Gute halten, dass Ancel Keys früh realisierte, dass das Cholesterin in der Ernährung kein Problem war. Aber um seine Annahme aufrecht zu erhalten, dass Cholesterin Herzattacken verursache, musste er etwas identifizieren, das den Cholesterinspiegel erhöht – und so landete er bei den gesättigten Fetten. In den 30 Jahren nach Eisenhowers Herzattacke scheiterte eine Studie nach der anderen, um endgültig die Verbindung zu bestätigen, die er in der Sieben Länder Studie identifiziert haben wollte.

Das Ernährungsestablishment fühlte sich durch das Fehlen von definitiven Beweisen nicht großartig unwohl. Aber in 1993 war klar, dass sie sich einer weiteren Kritik nicht entziehen konnten: Während Frauen eine fettarme Ernährung geraten worden war, wurde diese niemals an ihnen getestet (eine Tatsache, die nur diejenigen überrascht, die keine Ernährungswissenschaftler sind). Das Nationale Herz-, Lungen- und Blutinstitut entschied sich, alles auf eine Karte zu setzen, indem es die größte kontrollierte Ernährungsstudie überhaupt in Auftrag gab. Diese Frauengesundheits-Initiative adressierte nicht nur die andere Hälfte der Bevölkerung, sie sollte auch den letzten Zweifel zerstören, dass Fett schlecht ist für die Gesundheit.

Sie tat nichts dergleichen. Am Ende der Studie stand als Ergebnis, dass Frauen, die sich fettarm ernähren, nicht weniger wahrscheinlich Krebs oder Herzkrankheiten erlitten, als die Kontrollgruppe. Der leitende Wissenschaftler der Studie, nicht gewillt, die Folgen seiner eignen Ergebnisse zu akzeptieren, merkte an: “Wir kratzen uns an den Köpfen, angesichts einiger dieser Ergebnisse”. Es formte sich bald der Konsens, dass die Studie – obwohl sie ins Detail geplant war, viele Fördergelder erhielt und von eindrucksvoll namhaften Wissenschaftlern durchgeführt wurde – so fehlerhaft gewesen sein musste, dass sie bedeutungslos sei. Das Feld zog also weiter, oder besser gesagt, tat das nicht.

Im Jahr 2008 unternahmen Wissenschaftler von der Universität in Oxford eine Europa weite Studie für die Ursachen von Herzerkrankungen. Ihre Daten zeigen einen entgegengesetzten Zusammenhang zwischen gesättigten Fettsäuren und Herzerkrankungen, über den gesamten Kontinent hinweg. Frankreich, das Land mit dem höchsten Konsum von gesättigten Fetten, hat die niedrigste Rate an Herzerkrankungen; die Ukraine, das Land mit dem niedrigsten Konsum von gesättigten Fetten hat die höchste. Als die britische Übergewichtsforscherin Zoë Harcombe eine Analyse der Daten zu Cholesterinwerten von 192 Ländern der ganzen Welt vornahm, fand sie heraus, dass ein niedrigerer Cholesterinspiegel mit einer höheren Rate an Tod durch Herzerkrankungen einherging.

In den letzten 10 Jahren wurde eine Theorie, die irgendwie ohne Stütze für fast ein halbes Jahrhundert hoch gehalten wurde, von zahlreichen und ausgiebigen Beweisbeurteilungen verworfen, auch wenn sie wie ein Zombie weiter in unseren Ernährungsrichtlinien und medizinischen Ratgebern herum geistert.

Die Lebensmittel- und Landwirtschaftsorganisation der UN konnte in einer Analyse aller Studien zu fettarmer Ernährung in 2008 „keine wahrscheinlichen oder überzeugenden Hinweise“ finden, dass ein hohes Maß an Fetten in der Ernährung Herzerkrankungen oder Krebs auslöse. Eine weitere Meilenstein-Studie, die in 2010 in der Amerikanischen Gesellschaft für Ernährung veröffentlicht wurde, und die unter anderem vom sehr respektierten Wissenschaftler Ronald Krauss mit verfasst wurde, kam zu dem Schluss, dass „es keinen signifikanten Beweis für die Schlussfolgerung gibt, dass gesättigte Fette in der Ernährung in Verbindung gebracht werden können mit einem erhöhten Risiko von koronaren Herzkrankheiten und kardiovaskulären Krankheiten“.

Viele Ernährungswissenschaftler weigerten sich, diese Schlussfolgerungen zu akzeptieren. Die Fachzeitschrift, die die Beurteilung von Krauss veröffentlicht hatte und die Entrüstung seiner Leser leid war, stellte ihr ein Vorwort voran, mit der Widerlegung eines ehemaligen engen Vertrauten von Ancel Keys. Dieses Vorwort gab praktisch zu verstehen, dass die Ergebnisse von Krauss falsch sein müssten, da sie allen nationalen und internationalen Ernährungsratschlägen konträr sei. Diese Kreislogik ist typisch für ein Feld mit einem großen Hang dazu, Beweise zu ignorieren, die nicht zum konventionellen Wissen passen.

Gary Taubes hat einen Hintergrund als Physiker. „In der Physik“, sagte er mir, „sucht man nach den unnormalen Ergebnissen. Dann hat man etwas zu erklären. In der Ernährungswissenschaft läuft der Hase so, dass man bestätigen muss, was man selber und seine Vorgänger immer geglaubt haben“. Ein Ernährungswissenschaftler erläuterte Nina Teicholz gegenüber mit leichter Untertreibung: „Wissenschaftler glauben, dass gesättigte Fette schlecht für einen sind, und es gibt eine deutliche Abneigung gegenüber gegenteiligen Beweisen“.

Als Fettleibigkeit anfing als Problem anerkannt zu werden in westlichen Gesellschaften, wurden dafür ebenfalls gesättigte Fette verantwortlich gemacht. Es war nicht schwer, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass wir, wenn wir Fett essen, auch fett sein werden (das ist ein Sprachtrick: wir nennen eine übergewichtige Person „fett“; wir beschreiben eine muskulöse Person aber nicht als „proteinisch“). Der wissenschaftliche Gedankengang dazu war auch angenehm einfach: ein Gramm Fett hat doppelt so viele Kalorien wie ein Gramm Proteine oder Kohlenhydrate, und wir können alle die Vorstellung nachvollziehen, dass wenn eine Person mehr Kalorien aufnimmt als sie durch Bewegung verbrennt, der Überschuss als Körperfett endet.

Natürlich bedeutet einfach nicht, dass etwas korrekt ist. Es ist schwierig, diese Theorie mit dem dramatischen Anstieg der Fettleibigkeit seit 1980 in Einklang zu bringen. In Amerika stieg die Kalorienaufnahme nur um ein Sechstel in dieser Zeitspanne. Im Vereinigten Königreich ging sie sogar zurück. Es gab keinen verhältnismäßigen Rückgang in der körperlichen Bewegung, in keinem der beiden Länder – im Vereinigten Königreich ist das Maß an körperlicher Bewegung über die letzten 20 Jahre gestiegen. Fettleibigkeit ist in einigen der ärmsten Regionen der Welt ein Problem, sogar in Gemeinschaften, in denen Nahrung knapp ist. Kontrollierte Studien blieben wiederholt erfolglos beim Versuch aufzuzeigen, dass Menschen mit einer fettarmen oder kalorienarmen Ernährung auf lange Sicht Gewicht verlieren.

Diese oben genannten europäischen Vorkriegswissenschaftler hätten die Vorstellung, dass Fettleibigkeit von „überflüssigen Kalorien“ herrühre, als lächerlich einfach betrachtet. Biochemiker und Endokrinologen betrachten Fettleibigkeit wahrscheinlicher als eine hormonelle Abnormalität, die von der Sorte Lebensmitteln hervorgerufen wurde, die wir anfingen zu essen, als wir beim Fett kürzer traten: einfach verdaubare Stärke und Zucker. In seinem neuen Buch Always Hungry [deutscher Titel: Nimmersatt? Warum wir Fett brauchen, um schlank zu werden; Anmerk. des Übersetzers] nennt David Ludwig, ein Endokrinologe und Professor für Pädiatrie an der Harvard Medical School dies das „Insulin-Kohlenhydrate“ Modell der Fettleibigkeit. Gemäß diesem Modell stört ein zu großes Maß an raffinierten Kohlenhydraten das sich selbst ausbalancierende Gleichgewicht des metabolischen Systems.

Fett ist alles andere als eine inaktive Müllhalde für überschüssige Kalorien; Fettgewebe dient als Reserveenergie-Vorrat für den Körper. Auf seine Kalorien wird zurückgegriffen, sobald Glukose sich dem Ende zuneigt – also zwischen Mahlzeiten oder zwischen Fasten- und Hungerperioden. Fett erhält Anweisungen vom Insulin, dem Hormon, das für die Regulierung des Blutzuckers verantwortlich ist. Raffinierte Kohlenhydrate werden im Blut schnell in Glukose herunter gebrochen, was die Pankreas dazu veranlasst, Insulin zu produzieren. Sobald der Insulinspiegel steigt, erhält das Fettgewebe das Signal, Energie aus dem Blut zu saugen und damit aufzuhören, sie freizusetzen. Wenn also der Insulinspiegel unnatürlich lange auf einem hohen Level bleibt, dann nimmt eine Person zu, fühlt sich hungriger und erschöpft. Dann beschuldigen wir sie dafür. Wie Gary Taubes sagt, sind diese Leute aber nicht dick, weil sie zu viel essen und nur sitzen – sie essen zu viel und sitzen, weil sie dick sind, oder weil sie dicker werden.

Wie Taubes so stellt auch Ludwig klar, dass dies keine neue Theorie sei – John Yudkin würde sie erkannt haben – sondern eine alte, die durch neue Erkenntnisse untermauert wurde. Was er nicht erwähnt ist die Rolle, welche die Unterstützer der Fetthypothese geschichtlich gespielt haben, wenn es um die Zerstörung der Glaubwürdigkeit derjenigen geht, die sich ihnen widersetzt haben.

In 1972, dem gleichen Jahr, in dem Yudkin Pur, Weiß, Tödlich veröffentlichte, veröffentlichte ein an der Cornell Universität ausgebildeter Kardiologe mit dem Namen Robert Atkins die Dr. Atkins Diätrevolution. Ihre Argumente teilten eine Gemeinsamkeit, nämlich dass Kohlenhydrate gefährlicher für unsere Gesundheit sind als Fett. Jedoch unterschieden sie sich in den Details. Yudkin war auf das Schlechte eines bestimmten Kohlenhydrates im Speziellen fokussiert und empfahl nicht explizit eine fettreiche Ernährung. Atkins hingegen argumentierte, dass eine fettreiche, kohlenhydratarme Ernährung der einzig wahre Weg sei, um Gewicht zu verlieren.

Vielleicht war der größte Unterschied zwischen den beiden Büchern der Ton. Yudkins war kühl, nett und vernünftig, was seinem Temperament entsprach, sowie der Tatsache, dass er sich zuerst als Wissenschaftler sah und dann erst als Kliniker. Atkins hingegen, durch und durch Praktizierender statt Akademiker, war nicht an Gentlemen-Konventionen gebunden. Er gab an, stinksauer zu sein, dass er von den medizinischen Wissenschaftlern hinters Licht geführt worden war. Es war nicht überraschend, dass seine Attacken das Ernährungsestablishment in Rage brachte, woraufhin dieses mit harten Bandagen dagegen ankämpfte. Atkins wurde als ein Betrüger tituliert und seine Ernährungsweise eine „Marotte“. Es war eine erfolgreiche Kampagne: noch heute hat der Atkins Name einen Beigeschmack von Quacksalberei.

Eine „Marotte“ impliziert etwas Neumodisches. Aber kohlenhydratarme, fettreiche Ernährungsweisen waren schon über ein Jahrhundert vor Atkins bekannt, und bis in die 1960er waren sie eine Gewichtsverlust-Methode, die von der landläufigen Wissenschaft empfohlen wurde. Mit Beginn der 1970er hatte sich das geändert. Wissenschaftler, die an den Auswirkungen von Zucker und komplexen Kohlenhydraten in punkto Fettleibigkeit interessiert waren, mussten nur schauen, was dem erfahrensten Ernährungswissenschaftler des Vereinigten Königreiches widerfahren war um zu verstehen, dass das Verfolgen dieser Spezialisierung ein schrecklicher Karriereschachzug war.

John Yudkins wissenschaftliches Ansehen war komplett zerstört. Er wurde nicht mehr zu internationalen Ernährungskonferenzen eingeladen. Fachzeitschriften lehnten seine Studien ab. Unter Kollegen wurde über ihn als Exzentriker und einsamer Obsessiver geredet. Am Ende wurde aus ihm eine abschreckende Geschichte. Sheldon Reiser, einer der wenigen Wissenschaftler, die während der 1970er weiterhin an den Auswirkungen von raffinierten Kohlenhydraten und Zucker arbeiteten, sagte Gary Taubes im Jahr 2011: „Yudkin wurde so in Misskredit gebracht. Man machte sich in gewisser Weise über ihn lustig. Und über jeden anderen, der etwas Schlechtes über Saccharose [Zucker] sagte, unkten sie ‚Er ist genau wie Yudkin’“.

Wenn Yudkin verspottet wurde, dann war Atkins eine Hassfigur. Erst in den letzten Jahren wurde es annehmbar, die Auswirkungen von Ernährungsweisen vom Typ Atkins zu untersuchen. Im Jahr 2014 wurden in einer von den US National Institutes of Health (NIH) geförderten Studie 150 Männer und Frauen für ein Jahr einer Ernährung unterzogen, die sie entweder in der Menge an Fett oder Kohlenhydraten einschränkte, die sie essen durften, nicht jedoch in der Kalorienaufnahme. Am Ende des Jahres hatten die Leute, die sich mit wenig Kohlenhydraten und viel Fett ernährten, im Schnitt ungefähr 3,5 Kilo mehr abgenommen als die Gruppe, die sich fettarm ernährte. Sie hatten ebenso eine höhere Wahrscheinlichkeit, Gewicht durch Abbau von Fettgewebe zu reduzieren. Die fettarme Gruppe verlor ebenfalls Gewicht, allerdings durch den Abbau von Muskeln. Die NIH-Studie ist die letzte von über 50 ähnlichen Studien, die zusammen vorschlagen, dass eine kohlenhydratarme Ernährung besser ist als eine fettarme Ernährung, um Gewichtsverlust zu erreichen und um Diabetes vom Typ 2 unter Kontrolle zu bringen. Als Beweismaterial ist das immer noch weit davon entfernt, abschließend zu sein, aber es ist genauso beständig wie alles andere in der Fachliteratur.

Die 2015er Ausgabe der US Ernährungsrichtlinien (sie werden alle fünf Jahre überarbeitet) bezieht sich in keiner Weise auf irgendeine dieser neuen Forschungen, denn die Wissenschaftler, die dieses Gremium beraten – die hochrangigsten und am besten vernetzten Ernährungswissenschaftler des Landes – unterließen es, eine Diskussion darüber in ihrem Bericht mit aufzunehmen. Das ist eine klaffende Lücke, die aus wissenschaftlicher Sicht unerklärlich ist, die aber aus Sicht der in der Ernährungswissenschaft betriebenen Politik durchaus erklärlich ist. Warum sollte man, wenn man seine Autorität beschützen will, Aufmerksamkeit auf Hinweise lenken, die den Annahmen widersprechen, auf denen diese Autorität gegründet ist? Wenn man erlaubt, dass man dieses Fass aufmacht, dann könnte großes Ungemacht drohen.

Es könnte bereits so weit sein. Im vergangenen Dezember erhielten die für den Bericht verantwortlichen Wissenschaftler eine beschämende Rüge vom Kongress, als dieser eine Überprüfung der Vorgehensweise vorschlug, mit der die Richtlinien zusammengestellt werden. Von „Fragen… über die wissenschaftliche Integrität des Prozesses“ war da die Rede. Die Wissenschaftler reagierten verärgert, indem sie die Politiker beschuldigten, mit der Fleisch- du Milchindustrie gemeinsame Sache zu machen (in Anbetracht der Tatsache, wie viele der Wissenschaftler auf wissenschaftliche Geldmittel von Lebensmittel- und Pharmafirmen angewiesen sind, könnte man das schon als dreist bezeichnen).

Manche Wissenschaftler stimmen mit den Politikern überein. David McCarron, ein Wissenschaftler in der Abteilung für Ernährung an der University of California-Davis, sagte der Washington Post: „In den Richtlinien gibt es eine Menge Aspekte, die vor 40 Jahren richtig waren, die aber widerlegt wurden. Manchmal will die wissenschaftliche Gemeinde aber leider nicht zurück blicken“. Steven Nissen, der Vorsitzende für kardiovaskuläre Medizin an der Cleveland Clinic war direkter, als er die neuen Richtlinien eine „beweisfreie Zone“ nannte.

Die Überprüfung durch den Kongress kam teilweise wegen Nina Teicholz zustande. Seit ihr Buch im Jahr 2014 veröffentlicht wurde, wurde Teicholz zu einer Befürworterin besserer Ernährungsrichtlinien. Sie ist im Vorstand der Nutrition Coalition, eine von den Philanthropen John und Laura Arnold finanzierte Einrichtung, mit dem Ziel, dass die Ernährungspolitik auf guter Wissenschaft gründet.

Im September letzten Jahres schrieb sie einen Artikel für das BMJ (ehemals das British Medical Journal), der von der Unzulänglichkeit des wissenschaftlichen Ratschlags handelt, der die Ernährungsrichtlinien untermauert. Die Antwort des Ernährungsestablishments war scharf: 173 Wissenschaftler – einige davon waren im Beratungsgremium und viele deren Arbeiten im Buch von Teichholz kritisiert wurden – unterschrieben einen Brief an das BMJ, der verlangte, dass der Artikel wieder aus dem Verkehr gezogen wird.

Eine Erwiderung auf einen Artikel ist die eine Sache; seine Löschung zu beantragen ist eine andere, und ist normalerweise für Fälle gedacht, die schwindlerische Daten beinhalten. Als ein beratender Onkologe für das NHS, hob Santhanam Sundar auf der BMJ-Webseite in einer Antwort auf den Brief hervor: “Wissenschaftliche Diskussion hilft, die Wissenschaft vorwärts zu bringen. Aufrufe für einen Widerruf, ganz besonders von denen in hohen Positionen, sind unwissenschaftlich und ehrlich gesagt auch Besorgnis erregend.”

Der Brief führt “11” Fehler auf, die bei näherer Betrachtung von trivial bis hin zu komplett fadenscheinig reichen. Ich sprach mit verschiedenen der Wissenschaftler, die den Brief unterzeichnet hatten. Sie hatten kein Problem, den Beitrag generell zu verurteilen, aber als ich sie fragte, nur einen der angeblichen Fehler zu nennen, war keiner in der Lage dazu. Einer gab zu, er habe ihn nicht gelesen. Eine andere Wissenschaftlerin sagte mir, sie hat den Brief unterschrieben, weil das BMJ keinen Artikel veröffentlichen sollte, der nicht eines Kreuzgutachtens unterzogen wurde (er wurde eines Kreuzgutachtens unterzogen). Meir Stampfer, ein Harvard Epidemiologe, behauptete, der Beitrag von Teicholz sei “voll von Fehlern”, während er es aber ablehnte, diese mit mir zu diskutieren.

So schweigsam wie sie waren, die Essenz des Beitrags zu diskutieren, waren die Wissenschaftler weit weniger zögerlich, Kommentare über die Autorin abzugeben. Ich wurde ständig daran erinnert, dass Teicholz eine Journalistin sei und keine Wissenschaftlerin, und dass sie ein Buch zu verkaufen habe – so als ob dies die Auseinandersetzung entscheiden würde. David Katz von Yale, seines Zeichens eines der Mitglieder des Beraterstabs und ein unermüdlicher Verteidiger der alten Lehren, sagte mir, dass die Arbeit von Teicholz “nach Interessenkonflikt stinkt”, ohne zu spezifizieren, welche diese Konflikte seien (Dr. Katz ist Autor von vier Ernährungsbüchern).

Dr. Katz gibt nicht vor, dass sein Feld in allem Recht hatte – so gab er z.B. zu, dass er seine Meinung beim Ernährungscholesterin geändert habe. Aber er kam immer und immer wieder auf den Charakter von Teicholz zurück. “Nina ist schockierend unprofessionell… Ich war in Räumen die mit dem Who’s Who rund um Ernährung gefüllt waren, und ich habe noch nie so eine einhellige Abneigung erlebt, als wenn Frau Teichholz Name aufkam. Sie ist ein Tier, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe”. Trotz der Aufforderung gab er keine Beispiele ihrer Unprofessionalität an. (Die Anfeindungen gegenüber Teicholz sieht man nur selten in Bezug auf Gary Taubes, obwohl beide fundamental ähnliche Argumente vorbringen.)

Im März diesen Jahres war Teicholz eingeladen, an einer Podiumsdiskussion zum Thema Ernährungswissenschaft an der National Food Policy – Konferenz in Washington, DC teilzunehmen, nur um schlagartig wieder ausgeladen zu werden, nachdem ihre Podiumskollegen klar gemacht hatten, dass sie keine Bühne mit ihr teilen würden. Die Organisatoren ersetzten sie mit dem Geschäftsführer der Allianz für Kartoffelwissenschaft und -erziehung.


 

Einer der Wissenschaftler, der nach einem Widerruf des BMJ-Artikels von Nina Teicholz rief und der darum bat, dass unsere Unterhaltung nicht aufgenommen werde, beschwerte sich, dass der Aufstieg von Social Media ein „Autoritätsproblem” geschaffen habe. „Jede Stimme, wie verrückt auch immer, kann an Boden gewinnen”, sagte er mir.

Es ist eine bekannte Klage. Das Internet hat zu flachen Hierarchien geführt wo es solche gibt, weil jeder veröffentlichen kann. Wir leben nicht länger in einer Welt, in der Eliten von amtlich anerkannten Experten in der Lage sind, Unterhaltungen über komplexe oder angefochtene Angelegenheiten zu dominieren. Politiker können sich nicht auf die Aura ihres Amtes verlassen um zu überzeugen, Zeitungen kämpfen damit die höhere Integrität ihrer Geschichten zu beteuern. Es ist nicht klar, ob diese Änderung insgesamt ein Segen für die Öffentlichkeit ist. Aber in Bereichen, in denen die Experten historisch gesehen oftmals falsch liegen, ist es schwer vorstellbar, wie es noch schlimmer sein könnte. Falls es je einen Fall gegeben hat, dass eine Informationsdemokratie, selbst wenn sie schmuddelig ist, einer Informationsoligarchie vorzuziehen ist, dann ist die Geschichte der Ernährungsberatung so ein Fall.

In der Vergangenheit hatten wir nur zwei Quellen für Ernährungsautorität: unser Arzt und die Regierungsbeamten. Es war ein System, das gut funktionierte, solange die Ärzte und die Beamten durch gute Wissenschaft informiert wurden. Aber was geschieht, wenn man sich darauf nicht verlassen kann?

 

Über die Jahre hat das Ernährungestablishment bewiesen, dass es geschickt ist im Demütigen von Personen. Aber es ist schwieriger für sie dies an Robert Lustig oder Nina Teicholz zu tun, als es einst bei John Yudkin war. Es ist auch schwieriger, die Anschuldigung zu leugnen oder zu ersticken, dass die Werbung für fettarme Ernährungsweisen eine 40 Jahre währende Marotte war, mit desaströsem Ende – konzipiert von, autorisiert durch und überwacht von Ernährungswissenschaftlern.

Professor Yudkin zog sich von seiner Position am Queen Elizabeth College im Jahr 1971 zurück, um Pur, Weiß, Tödlich zu schreiben. Die Hochschule kam ihrem Versprechen nicht nach, dass er die Forschungseinrichtungen nutzen könne. Man stellte einen vollen Unterstützer der Fetthypothese ein um Yudkin zu ersetzen, und es galt nicht länger als klug, einen Gegner dieser Hypothese auf dem Campus zu haben. Der Mann, der die Ernährungsabteilung der Hochschule von Grund auf aufgebaut hatte, sah sich gezwungen, einen Rechtsanwalt eingreifen zu lassen. Am Ende wurde ein kleiner Raum in einem separaten Gebäude für Yudkin gefunden.

Als ich Lustig fragte, warum er nach Jahren der erste Wissenschaftler war, der sich auf die Gefahren von Zucker fokussierte, antwortete er: “John Yudkin. Sie hatten ihn so heftig zu Fall gebracht, so heftig, dass niemand es auf eigene Faust versuchen wollte”.

Ian Leslie, der Author von Curious: the Desire to Know and Why Your Future Depends On It trägt regelmäßig zum Long Read des Guardian bei. Twitter: @mrianleslie

 



Ende der Übersetzung des Originalbeitrags

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Links zu den im Beitrag genannten Büchern (Verlinkung zu Amazon)


Abschließend:

Der Originalbeitrag auf The Guardian wurde nach nur 3 Wochen schon über 137.000 Mail in den Social Media Kanälen wie facebook etc geteilt, und 2277 Menschen hinterließen einen Kommentar am Ende des Beitrags. Es ist also ein Thema, das bewegt. Ich hoffe, diese deutsche Übersetzung kann eine ähnliche Reichweite erlangen. Daher: bitte teile diese Übersetzung gerne mit anderen und hinterlasse dann auch gerne einen Kommentar unten in der Kommentarfunktion. Sicherlich bist auch Du nach dem Lesen dieses Artikels erst einmal ein wenig verärgert oder baff, wie es dazu kommen konnte. Lass mich und die Leser dieser Webseite an Deiner Meinung teilhaben.