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Warum der Body Mass Index (BMI) überholt ist

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Mal ehrlich: Seid Ihr auf Anhieb in der Lage, Euren BMI zu errechnen? Wisst Ihr, wofür dieses Kürzel ausgeschrieben steht? Können Ihr mit diesem Messwert ‘Body Mass Index’ etwas anfangen? Viele Menschen würden diese Fragen mit „Ehrlich gesagt, nein“ beantworten. Damit sind sie in bester Gesellschaft, denn der BMI ist umstritten. Möglicherweise erledigt ihn das jetzt für viele, die den BMI bisher als relevant angesehen hatten.

Was sollte der „Body Mass Index“?

Über das Gewicht des Menschen haben sich Mediziner schon früh Gedanken gemacht. Auch Vertreter großer Versicherungen machten es zum Thema. 1942 erkannte beispielsweise ein bei einer Lebensversicherung angestellter Statistiker, dass Übergewicht und die Länge der Lebensdauer in einem engen Zusammenhang stehen.

Doch bereits 1832 hatte ein gewisser Adolphe Quetelet einen Index-Messwert für das Körpergewicht erdacht. Man nennt diesen Messwert daher auch Quetelet-Kaup-Index, Körpermasse-Index (KMI) oder Körpermassezahl (KMZ). 1997 legte die Weltgesundheitsorganisation WHO den „Body Mass Index“ (BMI) als weltweit geltenden Standard-Messwert fest. Als Normalgewicht wird demnach ein Körpergewicht eingestuft, das zwischen den BMI-Werten 18,5 und 24,9 liegt. Alles darunter ist Untergewicht, alles darüber wird als Übergewicht angesehen. Für die Fettleibigkeit (Adipositas) legte die WHO den Grenzwert bei einem Body Mass Index von 30 fest.

Zunächst stießen sich viele Menschen an der umständlichen Umrechnung des Körpergewichts nach einer Formel, die man sich einfach nicht merken konnte. Damals gab es noch keine schnell zugänglichen BMI-Rechner im Internet.

BMI ausrechnen: die Formel

Die klassische BMI Formel, mit der man den BMI ausrechnen kann, lautet:

Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch Körpergröße (in Metern) hoch zwei.

Eine Person mit einem Körpergewicht von 70kg bei einer Körpergröße von 170cm (bw. 1,7m) hätte also folgenden BMI:

70 : 1,72 = 24,22

Körpergröße und Gewicht werden hier also rechnerisch in Relation zueinander betrachtet.

BMI Tabelle: WHO/DGE und NRC

Laut der WHO und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) werden Menschen wie folgt anhand des berechneten BMI klassifiziert:

bmi tabelle zum bmi berechnen

BMI Tabelle zum BMI Berechnen

Kritik am BMI

Was dabei unter den Tisch fällt ist aber das Lebensalter, das sich auch auf den Stoffwechsel und das Gewicht auswirkt. Ab dem 50. Lebensjahr sind in der Regel stärkerer Muskelabbau und vermehrte Fettansammlungen zu verzeichnen. Gerade aber Muskeln sind natürlich auch wichtig beim Verbrennen von Fett, denn Muskelmaße verbrennt Fett. Ebenso wird beim BMI nicht beachtet, ob es sich bei dem Körpergewicht eher um Muskel- oder Fettmasse handelt. Ein gut trainierter Bodybuilder mit 170 cm Köpergröße könnte trotz geringer Fettansammlungen am Körper durch seine Muskelmasse einen Messwert erreichen, der auf Adipositas schließen lässt. Man würde diesem durchtrainierten Mann ohne Untersuchung seines Körpers und aufgrund seines hohen BMI-Wertes zu einer Diät raten, z.B. Rezepte ohne Kohlenhydrate. Das wäre natürlich Unsinn. Sofern kein Anabolikamissbrauch vorliegt, wird dieser Mann vermutlich länger leben als eine Vergleichsperson mit demselben Körpergewicht, aber viel Körperfett.

Bereits 1989 veröffentlichte das amerikanische NRC (National Research Council) eine BMI Tabelle, in der nach Altersgruppen unterschieden wurde. Diese sieht dann wie folgt aus:

bmi tabelle alter nrc

BMI Tabelle nach Alter

Der BMI erweist sich als unzuverlässig

Heutzutage erkennt man also zunehmend, dass diese gewichtsbezogene Messeinheit ihre Schwächen hat.

Viel interessanter ist die Fettverteilung am Körper. Sammeln sich die Fettzellen nämlich an Oberschenkeln und Gesäß – der sogenannten „Birnenform“ des Körpers – habe das geringere Auswirkungen auf die Gesundheit, als wenn sie sich bevorzugt in der Bauchregion ansiedele. Bauchfett bzw. viszerales Fettgewebe ist aktiv am Stoffwechsel beteiligt. Es steuert unter anderem Entzündungsfaktoren bei. Der „Apfeltyp“ hat einen prominenten Bauch und einen entsprechenden Taillenumfang. Er muss mit gesundheitlichen Folgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes 2 rechnen.

Die BMI Berechnung erweist sich bei diversen Studien als unzuverlässig. Da man in neueren Auswertungen kaum eine höhere Sterblichkeit bei Übergewichtigen feststellen konnte, sind Aussagen über ein „Normalgewicht“ individuell nicht haltbar. Es kommt bei erhöhtem Körpergewicht darauf an, welche Erkrankungen man hat, wie oft man sich bewegt, wie man sich ernährt, wie alt man ist und wie viel Muskelmasse oder Fettmasse man vorweist. Beim Untergewicht ist es ähnlich. Der WHO-Grenzwert von 18,5 erscheint heute als zu niedrig angesetzt. Man geht bereits bei einem Index von unter 22 von lebensverkürzendem Untergewicht aus.

Noch spannender ist eine aktuelle Untersuchung von Flegal et al. Demnach hatten unter den ausgewerteten Daten über 2,8 Millionen verstorbene Menschen die Übergewichtigen statistisch gesehen sogar eine geringere Sterblichkeitsrate als alle anderen. Statistiken können allerdings je nach Fragestellung unterschiedlich interpretiert werden. Der lange Zeit angewandte Body Mass Index jedoch erweist sich zunehmend als wenig aussagefähig.

Sollte man den Body Mass Index komplett streichen?

Um Übergewicht festzustellen, bedarf es einer Waage, eines Maßbandes sowie einer Betrachtung von Alter, Ernährungsgewohnheiten und Trainingsstand. Zusätzlich kann der BMI Wert herangezogen werden. Der Taillenumfang ist ein guter Richtwert, wenn man den altersgerechten Zuwachs an Fettpolstern bei gleichzeitigem Abbau von Muskelmasse berücksichtigt. Bei einem zu großen Taillenumfang ist eine Ernährungsumstellung stark in Betracht zu ziehen. Wer hier gleich an Reduzierung der Fette und Kohlenhydrate in seiner Ernährung denkt, möchte bitte zur Kenntnis nehmen, dass Fette und Kohlenhydrate nicht per se verteufelt werden, denn bei beiden gibt es eine Kategorie sogenannter guter und schlechter Fette bzw. Kohlenhydrate. Generell scheint es Sinn zu machen, auch den Körperfettanteil berechnen zu lassen.

Je mehr gesundheitliche Risikofaktoren vorliegen, desto eher werden Diätmaßnahmen, mehr Bewegung zwecks Muskelaufbau und eine dauerhafte Ernährungsumstellung angeraten. Ein Plus an Bewegung kann unter Umständen sogar förderlicher sein als eine Diät. Dies sollte natürlich immer in Absprache mit dem Arzt und Ernährungsberater seines Vertrauens erfolgen, nicht auf eigene Faust.

Wie stehst Du zum Body Mass Index zum Bestimmen von Übergewicht? Hinterlasse gerne einen Kommentar unten im Kommentarfeld.

Quellen:

  • DGE: Link
  • NRC: Link

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Foto von fpm1979

  • Ingrid Mager 29. September 2014, 19:51

    Ich finde auch, daß die Fettverteilung am wichtigsten ist.