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Ketogene Ernährung für Sportler: ein verrücktes Experiment (oder: 3 Ultras mit einer Hand voll Mandeln)

Ketogene Ernährung für Sportler, Heiko Weirauch | Kohlenhydrate-Tabellen.com

April: Schottland,153km. Mai: Istrien, 160km. Juni: Sachsentrail, 71km. Juli: von Mora zum Nordkap im Team, 24/7 auf Skirollern oder laufen, 1600km. Was sich wie das Logbuch eines verrückten Sportlers liest, ist vielleicht genau das :) Und weil das nicht reicht, hat Heiko Weirauch, Gastautor dieses Beitrags, das alles auch noch mit einer ketogenen Ernährung gemacht, um zu testen, wie das so tut. Wie es ihm und seinen Freunden dabei gegangen ist, erfährst Du in dieser Zusammenfassung seiner Erlebnisse. 

Kann man mit ketogener Ernährung (viel) Sport machen?

Die meisten meiner Leser sind nicht unbedingt an Sport interessiert, weil sie sich erst einmal mit dem Abnehmen beschäftigen wollen. Wenn es um ‘verrückte Sachen’ geht, dann gleich erst Recht nicht. Heute habe ich aber mal etwas für die etwas ‘Verrückten’ unter uns. Es geht um einen Gastbeitrag von Heiko Weirauch, der zusammen mit ein paar Freunden von April – Juli 2016 ein aussergewöhnliches Experiment mit einer ketogenen Ernährung im Zusammenhang mit Sport wagte. Genauer gesagt sind sie gelaufen, sehr viele Kilometer gelaufen.

Lassen wir einfach mal Heiko erzählen. Hinweis: alle eingefügten, weiterführenden Links stammen von mir, nicht vom Autor.


„Ich fühlte mich wie ausgekotzt…“

Wie bewältige ich 3 Ultramarathonläufe innerhalb von 3 Monaten, wenn ich gerade mit dem Laufen angefangen habe? Wieso stellt man dabei seine Ernährung völlig um, wenn man noch nie länger als 10km am Stück gelaufen ist? Weil man dafür nicht mehr braucht als eine Handvoll Mandeln und 12 Wochen Vorbereitung.

Ich war ziemlich platt. Wir waren jetzt seit 3 Tagen mit unseren Rädern unterwegs, bei Minusgraden Schnee und Wind. Wir hatten über 400km bis an Deutschlands Grenzen geschafft. Der Blick nach vorn war ernüchternd. Es fühlte sich an als wäre mein Tank leer. Aber einfach so auftanken ging nicht. Ich hatte keinen Appetit und wenn ich etwas gegessen hatte, war mir einfach nur übel und flau im Magen. Wir haben es bis England geschafft, aber schön ist was anderes.

Bei der Tour wurde mir zum ersten mal klar, dass die Standardempfehlungen Bullshit waren. Ständig Nahrung zuführen – so viel Energie wie möglich – und vor allem Zucker. So hatte ich es bei Studium der Sportwissenschaft und später noch bei der Ernährungstherapie gelernt. Bei mir funktionierte das aber nicht. Ich musste mir etwas einfallen lassen, denn die Tour nach England war nur der Anfang.

Es war dieses Jahr im Februar. Wir wollten in das Ultramarathon-Geschäft einsteigen. Mit wir meine ich Daniel, Ronny, Marcus und René, die genauso experimentierfreudig sind wie ich. Wir hatten zwei Probleme: keine Zeit für Ultra Trainingseinheiten und das Thema Energiegewinnung. Das Training stellte ich komplett auf funktionelle Impactbelastungen um, so dass wir mit nur durchschnittlich 30km Laufkilometer pro Woche trotzdem Ultras mit 150km laufen konnten. Und zum Thema Energie – lange Rede kurzer Sinn: Ketose.

Ich hatte immer schon mal in Ansätzen mit kohlenhydratarmer Ernährung experimentiert. Dies aber nur im Zuge von allgemeiner Kalorienrestriktion und intermittierendem Fasten. So wusste ich schon, dass ich mit wenig Nahrung im Training relativ gut auskomme. Jetzt wollten wir aber viel weiter. Also durchforstete ich unzählige Studien und Literatur zum Thema und wir legten los. Das Resultat war absolut überwältigend. Wir haben jeder etwas unterschiedlich auf das Programm reagiert, aber es funktioniert. Das einzige Problem war es einen veganen Diabetiker in Ketose zu versorgen. Aber das kommt in einem anderen Beitrag.

Zuerst solltest Du dir Teststreifen für die Urin und Blutketose-Messung (und das Gerät dazu) besorgen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ziel bei unserem Plan war es zunächst, in eine stabile Ketose zu kommen. Das bedeutet am Tag weniger als 15g Kohlenhydrate zuführen, bis ein stabiler Blutketose-Wert von über 0,6mmol/l erzielt wird. Das dauert insgesamt bis zu 14 Tage. Zugegeben, unter voller Trainingsbelastung waren meine ersten 7 Tage die Hölle. Ich fühlte mich wie ausgekotzt und völlig schlapp. 10 Kilometer laufen fühlten sich an wie die letzen Kilometer eines Marathons bei 50 Grad im Schatten, bei dem ich ums Überleben kämpfte. Aber wer lange genug gegen den Strom schwimmt, kommt irgendwann zur Quelle!

„… aber ab dem 8. Tag machte es ‚klick‘ „

Ab dem achten Tag machte es ‘klick’ und der Schalter legte sich um. Bei den anderen Jungs dauerte es teilweise nur 5, teilweise auch 10 Tage. Jeder weitere Tag war eine Leistungssteigerung. Wir kamen mit 5-6 Stunden Schlaf pro Nacht gut zurecht, trotz täglichem Training. Wir fühlten uns stark im Training. Irgendwann fühlte es ich an, als stünden uns unerschöpfliche Energiereserven zur Verfügung.

Was haben wir genau gemacht:

Nach der strikten Einstiegsphase von 14 Tagen, blieben wir 5 Tage pro Woche bei maximal 15 g Kohlenhydraten pro Tag. Das Essen bestand aus Rinderhack, Wildlachs, Eiern (sorry an alle Veganer – ich arbeite an einer Lösung), Mandeln und Nüssen sowie grünem Salaten (Spinat, Mangold, Ruccola, Chicorée, Feldsalat…) und Gurke, Tomaten und ganz wichtig Avocados, natürlich alles Bioqualität. Aus den Avocados lässt sich eine Super Schokomousse zaubern. Das Rezept gibt’s am Ende dieses Beitrags. Für die Ketosezeit ein wahres Highlight. Das ist wie Urlaub vom Essen.

„mal richtig die Sau rauslassen“, wenn man auf Keto ist

Ab und zu gönnten wir uns ein Glas extrem trockenen Weißwein (<0,1g Restzuckeranteil). Am Wochenende haben wir einen drauf gemacht und sind auf bis zu 30g Kohlenhydrate hoch. Das bedeutet am Samstagabend mal mit einer Packung Cashewkerne und einem 0,33 l Maisels Diätbier richtig die Sau raus lassen.

Zugegeben langfristig wird es manchmal eintönig. Aber wir haben viele Alternativen gefunden wie beispielsweise Bio Sojaghurt mit 1EL Chiasamen und Stevia gesüßt, oder wir haben uns eine 10g Kohlenhydrate Pizza mit Mehl von Erdschwalbe mit Tomatensoße und Mozzarella gemacht. Mit der Zeit wird man fündig. Natürlich haben wir morgens einen bulletproof Kaffee genossen, mit Ghee oder Kokosöl. Kokosöl haben wir auch primär zum Braten genutzt. [Anmerkung David: Der sogenannte bulletproof Kaffee ist ein Kaffee ohne Milch und Zucker, dafür eben mit Ghee oder Kokosöl. Ich nehme sehr gerne noch Zimt dazu. Starkes Verquirlen ist unbedingt notwendig, damit das Fett nicht bloß oben schwimmt].

Was nicht zu vergessen wäre, war unser Nahrungsergänzungs-Programm. Das bestand täglich aus

Also, wer das umsetzen möchte, dem rate ich wirklich – auch wenn es hart wird – die ersten 14 Tage unter 15g Kohlenhydrate zu bleiben und dann zu testen, ob man mit 30g oder 50g Kohlenhydrate pro Tag weiter in Ketose bleibt. Wenn Du unter 0,2 mmol/l rutscht, wird es Zeit die Kohlenhydrate-Zufuhr wieder zu senken.

Der Tag des Rennes

Dann kam der Renntag.

Das West Highland Way Race am 27.5.2016. Was soll ich sagen… Perpetuum Mobile. Wir sind beim Tempo im grünen (GA1) Bereich geblieben und es lief. Kein Hunger, kein Durst. Wir hatten als Notration 100g Mandeln einstecken… bis zum Schluss. An den Verpflegungsstationen aller 10-15 Meilen haben wir reinen Gewissens den Käsetoast mit schwarzem Tee genossen. Bei Meile 60 gab es dann auch noch ein Bier und Daniel, unser waschechter Engländer, hat dort was richtig Krasses gegessen: die Schotten haben uns Hot Dogs gemacht und die essen den mit Butter aufs Brot! (kein Kommentar)

Zusammenfassend kann ich eine Ketose für solche Rennen nur empfehlen. Du hast praktisch unbegrenzt Energiereserven zur Verfügung. Wenn es dann noch alle 15-20 km Kohlenhydrate gibt, auch nicht schlimm: nutze den Zusatztreibstoff, denn die Ketose bleibt unter dieser Belastung stabil.

Das hat auch bei unserem 7 Tage Trip auf Crossrollern zum Nordkap funktioniert…

Keto Rezept: Avocado Mousse au Chocolat

Wie versprochen, hier das Rezept für das Avocado Mousse au Chocolat:

  • 2 reife Avocados
  • 1-2 EL Mandelmus, ungesüßt
  • Stevia oder Glycin nach Bedarf
  • 4 EL rohes Kakaopulver, ungesüßt
  • 2 EL Mineralwasser oder Mandelmilch

Zum Bestreuen:

  • grob gehackte in einer Pfanne ohne Fett angerösteten Hasselnüsse oder Mandeln

Für die Schokosauce:

  • 2 EL Kokosöl, nativ
  • Stevia oder Glycin nach Bedarf
  • 2 EL rohes Kakaopulver, ungesüßt

Zubereitung:

Die Avocados schälen, entkernen und schneiden. Alles zusammen cremig pürieren. Die Nüsse grob hacken und kurz anrösten. Das Kokosöl für die Schokosauce in einem Topf bei schwacher Hitze schmelzen. Mit Stevia/Glycin und Kakaopulver vermischen. Die Mousse au Chocolat in Desserts-Schalen füllen, mit der Schokosauce beträufeln, und mit Nüssen und ein paar Himbeeren servieren.

Fragen zu diesem verrückten Experiment? ;) Dann bitte gerne die Kommentarfunktion unterhalb dieses Beitrags verwenden. Hinterlass auch einen Kommentar unten, wenn Du willst, dass Heiko mehr über diese Erfahrungen schreibt und weiter ins Detail geht. 

 

Heiko Weirauch Foto Kohlenhydrate TabelleHeiko Weirauch schloss 2005 sein Studium als Magister für Sport- und Erziehungswissenschaft und sein Diplom als Diät- und Ernährungstherapeuten ab. Er war Leiter des universitären Institutes für Leistungsdiagnostik und Dozent für Trainingswissenschaft an der Universität Halle und entwickelt seit 2007 neue Projekte im Trainingszentren in Merseburg, wie beispielsweise den Ovojumper oder das IT-Shirt. Er ist als Berater und Trainer für Freizeit- und Leistungssportler und als Dozent für die Gesundheitsförderung in Unternehmen tätig. Seine Webseite: www.wespseistark.de


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